Strategien und Handlungsansätze

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Inhaltsverzeichnis

Übergeordnete Strategien und Handlungsansätze

Der Klimawandel wird direkte Folgen für das Leben in Städten haben, weshalb Konzepte entwickelt werden müssen, wie diesen zu begegnen ist[1]. Anpassungsstrategien sind von grundlegender Bedeutung für die Zukunftssicherung in Städten und Gemeinden[2]. Standartisierte Vorgehensweisen können hier jedoch keine Lösung sein, da die Klimaveränderungen zum einen von Gebiet zu Gebiet sehr unterschiedlich ausfallen und ihre Auswirkungen zum anderen nicht gut absehbar sind.

Anpassungstrategien müssen unter Berücksichtigung kleinräumiger Klimaprognosen und ihrer Wahrscheinlichkeiten individuell für jede Kommune und jede Region entwickelt werden. Noch viel wichtiger als diese vom Wesen her sehr ungesicherten Faktoren sind aber die räumlichen und städtebaulichen Gegebenheiten vor Ort und die Möglichkeiten, flexible Strukturen hervorzubringen, die Erleichterungen bei unterschiedlichen Klimaereignissen verschaffen.

Einen detaillierten Leitfaden zur Erstellung einer Anpassungsstrategie, der die einzelnen Schritte und ihre Reinfolge in idealtypischer Weise vorstellt, finden Sie innerhalb des KlimaScouts im Bereich Anpassungsstrategien. Beispiele für Konzepten auf Ebene von Bundesländern, Regionen und Kommunen liegen im Bereich Politische Grundlagen vor.

Die 2008 vom Bundeskabinett verabschiedete Deutsche Anpassungsstrategie (DAS) stellt das übergeordnete Rahmenwerk für Anpassungsprozesse in der BRD dar. Teil der Strategie ist es, dass sie in der Diskussion mit Bundesländern und den gesellschaftlichen Gruppen, also auch den Kommunen konkretisiert und weiterentwickelt werden soll. Es wird stets betont, dass viele Anpassungsentscheidung auf kommunaler oder Kreisebene getroffen werden müssen[3].

Sektorale, regionale und integrierte Ansatzpunkte

Der Klimawandel wirkt sich auf unterschiedliche Regionen und Sektoren auch sehr spezifisch unterschiedlich aus[4]. Deshalb sollten Anpassungsstrategien beide Perspektiven im Blick behalten. Darüber hinaus ist es natürlich unerlässlich, die einzelnen Erkenntnisse nicht isoliert für sich zu betrachten, sondern vergleichend und ergänzend zusammen zu führen und übergreifende Schlussfolgerungen zu ziehen, sowie entsprechende Handlungsempfehlungen abzuleiten[3].


Regionale Anpassung

Die regionale Anpassung ist ein raumbezogener Ansatz. Ziel von regionalen Anpassungsstrategien ist es, die regional erwartete Klimaänderung in regionalen Planungs- und Entwicklungsprozessen zu berücksichtigen und dort als festen Bezugspunkt zu etablieren[3].


Sektorale Anpassung

Die sektorale Anpassung orientiert sich an den charakteristischen Bedürfnissen und Betroffenheiten der einzelnen Sektoren und Branchen[4].

Entsprechende Forschung erfolgt bereits in verschiedenen Programmen. Ein elementares Beispiel für die sektorale Betrachtungs- und Herangehensweise ist die Ressortforschung des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMELV). Seit 2008 gehört der Themenkomplex „Klimaschutz und Anpassung an den Klimawandel“ zu den Hauptforschungszielen des Ministeriums.

Ein weiterer Vorstoß in dieser Richtung ist das Ressortforschungsprogramm KLIWAS („Auswirkungen des Klimawandels auf Wasserstraßen und Schifffahrt - Entwicklung von Anpassungsoptionen“) des Bundesministeriums für Verkehr, Bau- und Stadtentwicklung (BMVBS) mit Schwerpunkt auf die Anpassungserfordernisse des Wasserstraßen- und Schifffahrtssektors. Im Bereich Raumordnung, Regional- und Stadtentwicklung ist das „Modellvorhaben Raumentwicklungsstrategien zum Klimawandel“ (KlimaMoro) des Bundesministeriums für Verkehr, Bau- und Stadtentwicklung und des für die Ressortforschung zuständigen Bundesamtes für Bauwesen und Raumordnung (BBR) als sektoraler Ansatz zu nennen[3].

Das Kompetenzzentrum Klimafolgen und Anpassung (KomPass) des Umweltbundesamtes hat 2009 die Dialogreihe zur Klimaanpassung gestartet. Sie wird seitdem kontinuierlich fortgesetzt. Bislang wurden Fachdialoge zu den folgenden Themen durchgeführt:

Durch die Dialogreihe konnte eine erste Bestandsaufnahme und Analyse der Anpassungssituation in den einzelnen Bereichen geliefert werden.

Integrale Anpassungsstrategien

Da die deutsche Anpassungsstrategie insgesamt auf integrale und intersektorale Wirkungsweise ausgerichtet ist bestehen starke Bemühungen, auf eine Verknüpfung sektoraler Erkenntnisse und Bedürfnisse hinzuwirken[3].

Bei dem oben erwähnten KomPass Dialogvorhaben[4] wurde auch in übergreifenden Diskussionen die Integration der unterschiedlichen Ergebnisse und Fragestellung verfolgt.

Hierbei konnten unter anderem die folgenden Hauptthemenfelder identifiziert werden, die für alle Gebiete von Interesse waren:


Wissen und Information

In allen Bereichen besteht ein unübersichtliches Überangebot an Information, die im Einzelnen allerdings zu wenig ins Detail geht. Es wird in allen Bereichen für eine Bündelung und mehr Transparenz des Informationsbestandes plädiert. Auch ökonomische Bewertungen, die es ermöglichen sollen, Handlungsoptionen zu identifizieren, die sich auch ohne das Eintreffen bestimmter Klimaprognosen rechtfertigen, werden sektorübergreifend gefordert.

Eine zentrale Anlaufstelle, die vielleicht parallele Instanzen und Angebote zusammenführt und koordiniert, wird in diesem Zusammenhang als denkbare Unterstützungsstruktur genannt.


Kommunikation

Auch die Kommunikation spielt eine bedeutende Rolle für integrierte Anpassungsstrategien.

Die Thematik und ihre Komplexität muss gut und verständlich, auf die jeweiligen Akteure zugeschnitten, vermittelt werden. Die Herausforderung besteht darin, relevante fachliche Information in allen Bereichen auf attraktive und motivierende Art und Weise möglichst praxisbezogen zu kommunizieren. Dabei sollte nach Möglichkeit auch eine Integration von Klimaschutz- und Anpassungsbestrebungen erfolgen (gute Praxisbeispiele sind hier ein zentrales Mittel)[4]. Um den einzelnen Akteuren Anpassung plausibel nahezubringen, muss auf transparente Weise deutlich gemacht werden, welche Kosten, und vor allem welcher Nutzen damit verbunden sind[3].


Kooperation

Disziplinübergreifende Integration von Wissenschaft und Praxis wurde von allen Akteuren stets begrüßt und in diesem Sinne eine engere Kooperation zwischen Politik und Verwaltung auf der einen, und Wirtschaft und Wissenschaft auf der anderen Seite gefordert. Notwendig ist hier, den Austausch fachübergreifend und über die unterschiedlichen Ebenen hinweg voranzutreiben. Dies bedeutet, sowohl eine Zusammenarbeit zwischen unterschiedlichen Branchenverbänden und Unternehmen als auch Bund-Länder-Austausch, Behördenkooperation und Ressortabstimmung im Sinne der Anpassung an den Klimawandel zu fördern. Hilfreich für eine umfassende Kooperation der einzelnen Protagonisten sind spezifische Plattformen und Arbeitskreise für den Austausch, wie sie beispielsweise bereits von der Dechema Gesellschaft für Chemische Technik und Biotechnologie oder dem Gesamtverband der deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) eingerichtet worden sind.

 

Rahmensetzung

Technische Regelungen und Normen sowie die gesamte bestehende Rahmengesetzgebung bedürfen einer Überprüfung und gegebenenfalls Anpassung in Hinblick auf Klimaschutz- und Anpassungsaspekte. Gleichzeitig ist diese Überarbeitung der Rahmenbedingung möglichst langfristig auszurichten, um den Akteuren, vor allem in unternehmerischer Hinsicht, ausreichende Planungssicherheit zu verschaffen.

 

Stärkung von Eigenverantwortung und Prävention

Die Bereitschaft und Fähigkeit zur Eigenverantwortung und Selbstvorsorge aller gesellschaftlicher Akteure gilt es zu fördern. Hierfür können Informationskampagnen und finanzielle Anreize genutzt werden[4].

Strategische Ansatzpunkte für kommunale Anpassung

Eine umfassende kommunale Anpassungsstrategie kann und sollte unterschiedliche strategische Ansatzpunkte und Leitsätze beinhalten.

 

Materielle und Strukturelle Ansätze

So ist ein wesentlicher Bestandteil einer Strategie in jedem Fall die Anpassung der materiellen städtischen Gegebenheiten, also im Wesentlichen der Bausubstanz. Dies bedeutet energiesparendes Bauen von energieeffizienten Gebäuden sowie Wärmedämmung im Bestand.

Eine weitere strategische Ebene ist die Anpassung der Stadtstruktur. Hier eignen sich Leitsätze wie dezentrale Konzentration, bei der städtische Entwicklungsschwerpunkte nicht nur in Zentren, sondern vor allem auch in der Peripherie gesetzt werden um hochsensible Wertekonzentration zu vermeiden und ein entzerrtes Stadtbild zwecks thermischer Entlastung zu fördern. Auch Reurbanisierung (Wiederbelebung der Kernstadt durch Investitionen und Stadterneuerung, bezahlbaren Wohnraum etc.) wird in diesem Zusammenhang als stadtstrukturelle Anpassung genannt. Sie zielt gemeinsam mit Nachverdichtung und kleinteiliger Funktionsmischung auf Verkehrsentlastung und Energieoptimierung ab, wird allerdings aufgrund des Widerspruchs zu thermischer Entlastung kontrovers diskutiert[1].

Diese Strategien müssen sowohl über formelle als auch informelle Instrumente verfolgt werden. Die formelle Handhabe der Stadtentwicklung liegt vor allem in der Bauleitplanung und Raumplanung. Hier erfolgen Umweltprüfung sowie die entsprechende Formulierung der Anforderungen an bauliche Nutzungen im Gemeindegebiet. Nach der Leitvorstellung der nachhaltigen städtebaulichen Entwicklung ist in diesen Bereichen der Klimawandel und mögliche Anpassung verstärkt in den Blick zu nehmen. 

Hierüber sind aber die Hauptakteure der städtischen Entwicklung, die Bürger, nur bedingt erreichbar. Speziell die Privateigentümer und Bewohner des Baubestandes müssen durch Beteiligungsprozesse aktiviert und motiviert werden, vor allem dann, wenn (privat-)wirtschaftliche Aspekte von Klimawandel und Anpassungsmaßnahmen betroffen sind[2].


Institutionelle Ansatzpunkte

Interkommunale Zusammenarbeit

Die Stadtentwicklung im Allgemeinen und die klimagerechte Stadtentwicklung im Besonderen erhöht die Notwendigkeit, Handeln ortsübergreifend abzustimmen. Gerade Extremereignisse verdeutlichen, dass administrative Grenzen keinen pragmatischen Handlungsrahmen abstecken. Eine übergeordnete Strategie ist ratsam. Da vor allem kleinere Kommunen auf Verwaltungsebene personellen Grenzen unterworfen sind, müssen einige Aufgaben der Anpassung gemeinschaftlich bewältigt werden. Auch ist einigen Problemen, die der Klimawandel hervorruft, nicht auf lokalem Niveau zu begegnen. Das beste Hochwassermanagement einer Kommune stößt unweigerlich an seine Grenzen, wenn nicht die Gegebenheiten an Flussoberläufen mitberücksichtigt werden.

Es wird also vernetztes Arbeiten dringend als grundlegende Strategie empfohlen.

Interkommunale Zusammenarbeit lässt sich zum Beispiel verwirklichen, indem geeignete kommunale Aufgaben von unterschiedlichen Gemeinden gemeinsam bewältigt werden. So ist es möglich, effizientere Anpassung zu betreiben, indem man beispielsweise gemeinschaftlich Personal zum Thema qualifiziert, Informationsaustausch betreibt oder auch manche Aufgaben arbeitsteilig wahrnimmt[5][6].


Innerkommunale Zusammenarbeit

Auch innerhalb der Kommunen ist eine größtmögliche Kooperation der unterschiedlichen Bereiche sehr sinnvoll. Verschiedene Organisationseinheiten müssen beim Eintritt von Extremereignissen effizient zusammenarbeiten können. Es gibt technische Lösungen, die für diese Strategien im Bereich Bevölkerungsschutz hilfreich sein können, wie zum Beispiel TETRA-Netz oder Disma 4.0 (Disaster Management). Hierüber kann beispielsweise eine intensive Kooperation aller  Protoagonisten, die im Bereich Sicherheit agieren, vorangetrieben werden[5].

Leitbilder und „Climate Proof Planning“

Das etablierte Leitbild der Nachhaltigkeit oder der nachhaltigen Entwicklung beinhaltet genau genommen bereits den Anpassungsgedanken. Nachhaltige Entwicklung ist nicht mit Ignoranz von wachsenden Risiken zu vereinen. Es gilt allerdings, bei der Formulierung von Leitbildern den Aspekt der Anpassung deutlicher hervorzuheben. So ist zum Beispiel das Leitbild der „Resilienten Gesellschaft“ ein denkbarer Ansatz, der Anpassungsstrategien zu Grunde gelegt werden kann[5].

In der Stadt- und Raumplanung würde das bedeuten, dass die geplanten und umgesetzten Strukturen „resilient“, also widerstandsfähig gegenüber möglichen Beeinträchtigungen durch Klimaveränderungen sind. Hier kommt der Begriff „Climate Proofing“ oder „Climate Proof Planning“ ins Spiel, der vielleicht am ehesten mit „Klimawandelgerechte Planung“ beschrieben werden kann und 2009 von Birkmann und Fleischhauer folgender maßen definiert wurde:

„Unter „Climate Proofing“ sind Methoden, Instrumente und Verfahren zu verstehen, die absichern, dass Pläne, Programme und Strategien sowie damit verbundene Investitionen gegenüber den aktuellen und zukünftigen Auswirkungen des Klimawandels resilient und anpassungsfähig gemacht werden, und die zudem auch darauf abzielen, dass die entsprechenden Pläne, Programme und Strategien dem Ziel des Klimaschutzes Rechnung tragen“. [7][8]

Es handelt sich also um einen grundsätzlichen Anspruch an jegliche Planungsverfahren, der in sämtlichen Bereichen mitgedacht werden sollte.

Flexibilität und No-Regret-Maßnahmen

Im Gegensatz zu den seit längerem erkannten Umweltproblemen sind die Ursache - Wirkungsbeziehungen des Klimawandels ungleich komplexer und die Entwicklung verläuft langfristiger und unabsehbarer. Die Prognosen über die künftigen klimatischen Entwicklungen und ihre Folgen sind stets mit großer Unsicherheit behaftet. In Anbetracht dieser Unsicherheiten sind viele Entscheidungen hinsichtlich einer geeigneten Anpassung im Wesen Wertentscheidungen. Hierbei ist wichtig, dass möglichst viele unterschiedliche Akteure der Gesellschaft konsensual in die Entscheidungsfindung einbezogen werden können.

Es ist wichtig, Optionen zu schaffen und zu fördern, die besonders nachsteuerbar und flexibel sind und auch wirken, wenn der Klimawandel nicht genau die Folgen entwickelt, die zum gegenwärtigen Zeitpunkt als sehr wahrscheinlich angenommen werden[5].

Weiterhin sind bei der Auswahl von Anpassungsoptionen sogenannte No-Regret-Maßnahmen zu favorisieren, also solche, die man nicht bereut, auch wenn die erwarteten Klimawirkungen, an die sie anpassen sollen, nicht eintreten. No-Regret-Optionen sind entweder kostenlos oder besonders kostenniedrig umsetzbar oder haben neben dem Anpassungsnutzen noch einen weiteren Nutzen, der sie rechtfertigt[9].

Referenzen

[1] Sybille Bauriedl, Stefanie Baasch, Matthias Winkler (2008): Die klimagerechte europäische Stadt? Siedlungsstrukturen, städtischer Lebensstandard und Klimaveränderungen, in RaumPlanung Heft 137 S. 67- 71, Dortmund hier

[2] Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (Hrsg.) (2011):  ExWoSt Information.  StadtKlima: Kommunale Strategien und Potenziale zum Klimawandel, Berlin hier

[3] Bundesregierung (2008): Deutsche Anpassungsstrategie an den Klimawandel, Berlin hier

[4] Umweltbundesamt (Hrsg.) (2011): Stakeholder-Dialoge: Chancen und Risiken des Klimawandels, Dessau-Roßlau

[5] BMVBS / BBSR (Hrsg.): Ursachen und Folgen des Klimawandels durch urbane Konzepte begegnen. Skizzierung einer klimawandelgerechten Stadtentwicklung BBSR-Online-Publikation 22/2009 hier

[6] Friedrich-Ebert-Stiftung KommunalAkademie (Hrsg.) ( 2008): Interkommunale Zusammenarbeit. Handreichung für die Kommunalpolitik, Bonn hier

[7] BMVBS / BBSR (Hrsg.): Klimagerechte Stadtentwicklung – „Climate-Proof Planning“. BBSR-Online-Publikation 26/2009 hier

[8] Birkmann, J. und Fleischhauer (2009): Anpassungsstrategien der Raumentwicklung an den Klimawandel: „Climate Proofing“ – Konturen eines neuen Instruments. In: Raumforschung und Raumordnung, H. 2/2009: 114-127.

[9] Eike Roth (2008): Was sind „No-regret-Maßnahmen“ im Klimaschutz? hier

Weblinks

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