KLIFF IMPLAN -Küstenschutz

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Inhaltsverzeichnis

Küstenschutz

Der Küstenschutz ist von existenzieller Bedeutung für den küstennahen Siedlungs-, Wirtschafts- und Kulturraum. Seine Aufgaben bestehen sowohl in der Sicherung der Küstenlinie vor Erosion, insbesondere im Bereich der Inseln und exponierter Deich(vor)abschnitte als auch im Schutz der Küstengebiete vor Überflutungen. Da große Bereiche der Küsten- und Flussmarschen infolge jahrhundertelanger Eindeichung, Trockenlegung und Setzung bei gleichzeitig steigendem Meeresspiegel sowie aufgrund der Ästuare von Ems, Weser und Elbe heute z. T. deutlich unterhalb des durchschnittlichen Tidewassers liegen, beschränkt sich der Überflutungsschutz nicht mehr nur auf Sturmflutsituationen, sondern ist zu einer permanenten Aufgabe geworden.

Wassermanagement im Deichhinterland

Neben dem Küstenschutz bildet auch die Entwässerung des Deichhinterlandes eine Grundvoraussetzung für die Nutzung der Küstenniederungen als Siedlungs- und Wirtschaftsraum. Um die nur knapp oberhalb bzw. teilweise sogar unterhalb von NN gelegenen Flächen trockenhalten zu können, hat sich in der Vergangenheit ein umfangreiches Wassermanagemtsystem aus Gräben und Sielen entwickelt, über das überschüssiges Niederschlags- und Grundwassser durch entsprechende Sielbauwerke in der Deichlinie in die Nordsee bzw. Ästuare abgeführt werden kann. Da eine Entwässerung im natürlichen Sielzug aufgrund der tidebedingten Schwankungen der Außenwasserstände nur während einer kurzen Phase des Tideverlaufs möglich ist, sind die Sielbauwerke vielfach mit elektrisch betriebenen Pumpwerken ausgestattet, mit deren Hilfe auch in der übrigen Zeit (d. h. bei höheren Außenwasserständen) entwässert werden kann. Innerhalb des Entwässerungssystems sind zudem s. g. Unterschöpfwerke vorhanden, mit denen Höhenunterschiede im Deichhinterland überwunden werden können.


Neben der Entwässerungsfunktion dient das verzweigte Sieltief- und Grabensystem in einigen Küstenbereichen auch der Zuwässerung, z. B. für die Weidewirtschaft in der Wesermarsch, die auf frisches Wasser in der Viehtränke dienenden Gräben angewiesenen ist, oder für die Bewässerung und Forstschutzberegnung von Obstplantagen im Alten Land. Aufgrund der erforderlichen geringen Salzkonzentrationen eignet sich für die Zuwässerung jedoch nur Wasser, das stromaufwärts der Brackwasserzone auf den Ästuaren bzw. Nebenflüssen entnommen und über Kanäle in die entsprechenden Gebiete geleitet wird. Die Nutzung von Grundwasser ist in den meisten Küstenregionen wegen erhöhter Salzgehalte nicht möglich.

Auswirkungen auf den Küstenschutz

Als wesentliche Konsequenz des Klimawandels ist mit einem sich beschleunigenden Anstieg des Meerespiegels zu rechnen, über dessen Ausmaß und Verlauf bislang noch große Unsicherheiten bestehen.

Wegen der sich durch den Meeresspiegelanstieg veränderten Tidedynamik ist in der Deutschen Bucht und insbesondere in den Ästuaren zudem mit einer im Vergleich zum Anstieg des durchschnittlichen Tidewasserstandes  (Meeresspiegel) überpropotionale Erhöhung des mittleren Tidehochwassers zu rechnen.

Als Folge einer möglichen klimawandelbedingten Intensivierung von Sturmwetterlagen ist darüber hinaus eine Zunahme der Windstauhöhen zu erwarten, für die im Bereich der Deutschen Bucht Werte von bis zu 30 cm bis zum Jahr 2100 modeliert wurden. Diese Effekte führen in der Summe zu einem deutlichen Anstieg potenzieller Sturmflutwasserstände und - aufgrund der damit verbundenen größeren Wassertiefen - zu einer Verstärkung des Seegsangs im unmittelbaren Küstenvorfeld und einer Vergrößerung des Wellenauflauf an den Deichen. Die mit einem erhöhten Windstau einhergehenden zeitlichen Ausdehnung von Sturmfluten hat außerdem zur Folge, dass die Wahrscheinlichkeit des Zusammentreffens von meteorologisch bedingten Wasserstandserhöhungen mit einem astronomisch verursachten Gezeitenmaximum (Tidehochwasser) - und damit die Eintrittswahrscheinlichkeit starker Sturmflutereignisse - steigt.

Des Weiteren könnten ab einer Meerespiegelanstiegsrate oberhalb einer - bisher erst annähernd bekannten - kritischen Grenze morphodynamischen Veränderungen im Bereich der Wattenküste auftreten, die eine reduzierte Wirksamkeit bzw. einen Verlust von für den Küstenschutz bedeutsamen natürlichen Schutzelementen mit sich bringen würde.

Eine mögliche Folge könnte z. B. die permanente Überschwemmung von Watt- und Deichvorlandbereichen sein, die dann eintreten würde, wenn die Geschwindigkeit des Meeresspiegelanstiegs die natürliche Fähigkeit der Wattenküste zur Anpassung (in Form von Höhenwachstum durch Sedimentanhäufung) überschreiten würde.

Auswirkungen auf das Wassermanagement im Deichhinterland

Für die Ent- bzw. Zuwässerungsfunktion des Wassermanagements im Deichhinterland ergeben sich sowohl durch den erwarteten Antieg der Tide- und Sturmflutwasserstände als auch durch die projezierten Veränderungen des Niederschlagsregimes neue Anforderungen. Im Einzelnen sind die folgende potenziellen Auswirkungen des Klimawandels zur erwarten:

Entwässerung

Der für den niedersächsischen Küstenraum vorrausgesagte Anstieg der jährlichen Niederschlagsmengen, der sich insbesondere auf das Winterquartal konzentrieren wird,  führen dazu, dass die abzuleitenden Wassermengen (die direkt in den Küstenniederungen anfallenden sowie dem zusätzlich aus dem Geestbereichen zufließenden Wasser zusammensetzen) sowohl im saisonalen/ monatlichen Mittel als auch in der Spitze zunehmen werden. Ein weiterer Faktor, der steigende Entwässerungsmengen bewirken kann, ist der durch die Erhöhung des mittleren Wasserspiegels in den Tidegewässern (Meeresspiegeln) hervorgerufene Anstieg des küstennahen Grundwasserspiegels. Unter Beibehaltung der heutigen Wasserstände hätte dies zur Folge, dass vor allem in besonders tief gelegenen Küstenbereichen entsprechend mehr Wasser über das Entwässerungssystem abgeführt werden müsste.

Gleichzeitig zur Erhöhung der abzuleitenden Wassermengen führen der klimawandelbedingte Anstieg des mittleren Tideniedrigwassers sowie die isostatischen und anthropogen bedingten Senkungen der Geländeoberflächen der Küstenniederungen zudem dazu, dass sich die Zeitfenster für die Nutzung des natürlichen Sielzugs stetig verkleinern und langfristig sogar vollständig schließen werden. Zusätzlich wird der Sielzug auch dadurch erschwert werden, dass vor den Sielbauwerken gegegene Deichvorland- und Wattflächen wegen des Meeresspiegelanstiegs  verstärkt Sedimente aufbauen und bestehende Priele zunehmend verschlicken.

Die klimawandelbedingte Zunahme der abzuleitenden Wassermengen und die fortschreitenden Einschränkungen der Nutzungsmöglichkeiten des natürlichen Sielzugs werden insgesamt zur Folge haben, dass kontinuierlich mehr durch Pumpen entwässert werden muss. Aufgrund steigender Tidewasserstände sowie möglicherweise häufiger auftretender, höher auflaufender und länger andauernder Stumrflutwasserstände wird der dafür erforderliche Pump- und Energieaufwand überpropotional zur ableitenden Wassermenge ansteigen.

Da die installierten Pumpleistungen bereits heute wiederholt an der Grenze ihrer Belastbarkeit betrieben werden, könnte es -  sofern keine entsprechenden Anpassungsmaßnahmen vorgenommen werden - unter Klimawandelbedingungen zu zunehmenden Überlastungen des Entwässerungssystems kommen - mit der Folge von Überschwemmungen insbesondere in tief liegenden Bereichen.

Zuwässerung

Die zumindest langfristig zu erwartende klimawandelbedingte Abnahme der Niederschlagsmengen im Sommer sowie die temperaturbedingte Zunahme der Evapotranpiration können in Gebieten, in denen schon heute frisches Süßwasser aus den Flussunterläufen zur Bewässerung und Viehtränke zugeleitet wird, einen erhöhten Bedarf an Zuwässerung nach sich ziehen. Aufgrund des Meeresspiegelanstiegs und der Verringerung der sommerlichen Binnenabflüsse aus den Oberfläufen und Nebenflüssen wird es in den Ästuaren allerdings gleichzeitig zu einer Verlagerung der Brackwasserzone nach stromaufwärts kommen, aus der an davon betroffenen Einlassbauwerken Einschränkungen der Zuwassermöglichkeiten aufgrund erhöhter Salzgehalte resultieren können. Dieses Problem ist bereits seit langem als Folge der fortschreitenden Vertiefungen der Ästuare für die Seeschifffahrt, die ebenfalls zur Verlagerung der Brackwasserzone führen, bekannt.


Handlungsbedarf und Anpassungsoptionen

Angesichts der bestehenden Vielfalt hydromorphologischer, topografischer und siedlungsbedingter Gegebenheiten entlang der niedersächsichen Küste ist davon auszugehen, dass die Anpassung des Küstenschutz- und Wassermanagementsystems an die Auswirkungen des Klimawandels mittel- bis langfristig in lokal angepassten Modifikationen erfolgen muss. Dabei könnten neben den bewährten - eher technisch ausgerichteten - Strategien des Küstenschutzes und des Wassermanagements in bestimmten Bereichen auch alternative, stärker raumbezogene Maßnahmenoptionen zur Anwendung kommen.

Festigung der Hauptdeichlinie

Die Sicherung des niedersächsischen Küstenraums gegenüber dem steigenden Meeresspiegel und zunehmender Sturmflutendynamiken (Windstau, Seegang) kann Forschungsergebnissen des KLIFF-Forschungsthemas A-KÜST zufolge nach derzeitigen Kenntnisstand auf absehbare Zeit, d. h. voraussichtlich bis zum Ende dieses Jahrhunderts, auf hohem Niveau und in wirtschaftlich optimaler Weise durch die Ertüchigung der bestehenden Hauptdeichlinie realisiert werden. Um bereits bei heuten Ausbaumaßnahmen den fortschreitenden Anstieg des Meeresspiegels zu berücksichtigen, wird bei der Ermittlung des Bemessungswasserstandes als Vorsorgemaß ein Zuschlag von insgesamt 50 cm zugrunde gelegt. Zudem sollen die Schaffung von technischen Bauteilen in der Deichlinie (z. B. Sperrwerke, Schleusen, Sieltore, Spundwände) statisch so ausgelegt werden, dass eine spätere Nacherhöhung von insgesamt rund 1 m möglich ist.

In einigen Küstenbereichen wird bereits heute sichtbar, dass der mit Deichertüchtigungsmaßnahmen zusammenhängende konstruktive - und damit auch finanzielle - Aufwand zukünftig überproportional stark ansteigen wird Gründe hierfür sind z. B.


Sicherung der Schutzdünen auf den ostfriesischen Inseln

Der Schutz von Siedlungen und Infrastukturen vor Sturmfluten wird auf den Ostfriesischen Inseln vor allem durch Schutzdünen gewährleistet. Nur auf den Inselsüdseiten durch Hauptdeiche.

Durch den Anstieg des Meeresspiegels und der Zunahme der Sturmflutdynamik wird sich die Belastung der Schutzdünen langfristig deutlich erhöhen, sowdass verstärkte Anstrengungen  zur Aufrechterhaltung ihrer Schutzfunktion unternommen werden müssen. Das Maßnahmenspektrum reicht dabei von

ingenieurbiologischen Maßnahmen zum Erhalt und Aufbau der Dünensubstanz (Errichtung von Sandfangzäunen, Anpassung, Anpflanzung von Strandhafer) über

Strand- bzw. Vorstrandauffüllungen/ -spülungen zum Ausgleich von Sedimentdefiziten im Dünenfeld sowie

see- und rückwärtige Verstärkungen von Schutzdünen durch Sandaufschüttungen bis hin zur

Errichtung massiver Schutzanlagen (Dünendeckwerke, Flußsicherungen, Ufermauern, Buhnen, Längswerke) insbesondere an den Westköpfen der Inseln.

Erhalt natürlicher Küstenschutzelemente

Dem Erhalt der der Küsten- bzw. Hauptdeichlinie vorgelagerten natürlichen Küstenschutzelemente kommt eine hohe Bedeutung zu, da diese wichtige Funktionen für das Gesamtsystem des Küstenschutzes erfüllen. Sowohl die Ostfriesischen Inseln, die bei Sturmfluten als natürliches Barrieresystem für die Festlandküste fungieren, als auch die Wattflächen und - falls vorhanden - die Deichvorlandflächen, deren Effekte von den der jeweiligen Höhe und Ausdehnung sowie vom herschenden Wasserstand abhängen, tragen zu einer Veringerung der auf Hauptdeiche wirkenden Seegangsbelastungen bei. Insgesamt führt dies zu einer Reduzierung des erforderlichen Deichbesticks und einer Einsparung zusätzlicher Deichsicherungswerke, die ansonsten besonders bei Schardeichen erforderlich wären. Im Falle eines Deichbruchs wird durch ein ausreichend breites und hohes Vorland zudem die Gefahr eines Strombruchs mit ungehinderten Ein- und Ausströmen der Tide ins Deichhinterland reduziert.

Die Bewahrung der Funktion der natürlichen Küstenschutzelemente unter Klimawandelbedingungen hängt stark  davon ab, inwieweit die Inseln, Wattflächen und Deichvorlandbereiche in der Lage sind, sich durch entsprechendes Mitwachsen (Aufsedimentieren) an den Meerespiegelanstieg anzupassen. Diese natürliche Anpassungsfähigkeit wäre bei einer hohen Anstiegsrate des Meerespiegels aufgrund des zunehmenden Sedimentdefizits innerhalb des Sedimenttransportsystems des Wattenmeers stark eingeschränkt bzw. nicht mehr gegeben. Um den daraus  resultierenden Systemveränderungen (verstärkte Insel- und Küstenerosion, Verlust von Watt- und Deichvorlandflächen) vorzubeugen, könnte es zukünftig erforderlich sein, die natürliche Anpassungsfähigkeit durch umfangreiche künstliche Sedimenteinträge in das Wattenmeer von außerhalb durch Sedimentaufspülungen zu unterstützen.

Spezifische Maßnahmenoptionen an Ästuaren

Aufgrund der im Vergleich zur offenen Küste stark abweichenden hydromophologischen Bedingungen bieten sich in bzw, an den Ästuaren eine Reihe spezifischer Maßnahmeoptionen zur Reduzierung von Strumgefahren. So kann entlang der Ästuare bzw. deren Nebenflüssen durch teilweisen Rückdeichungen und/ oder Errichtung von hinter der Deichlinie gelegenen Entlastungspoldern zusätzlicher (temporär nutzbarer) Flutraum und damit die Möglichkeit zur Absenkung von Stumflutscheiteln (bzw. im Fall der Nebenflüsse auch von Binnenhochwasserscheiteln, die aufgrund hoher Sturmflutwasserstände nicht abfließen können) geschaffen werden. Wie Modelierungen zeigen, sind Rückdeichungen und Sturmflutentlastungspolder an Ästuaren umso wirksamer, je weiter stromaufwärts sie errichtet sind.

Eine weitere Option zur Reduzierung der Sturmgefahren an den Ästuraren stellt der Bau von Sturmflutsperrwerken dar, die im Falle einer starken Sturmflut temporär geschlossen werden können. Der Vorteil einer Sperrwerkslösung liegt darin, dass eine weitere Verstärkung der entlang eines Ästuars bestehenden Küstenschutzbauwerke entfällt. Nachteile hierbei sind neben dem hohen finanziellen Aufwand insbesondere die erheblichen ökologischen Auswirkungen sowie die Beeinträchtigung der Belange der Schifffahrt, die aus den damit einhergehenden Veränderungen von Gezeiten und Sedimentdynamik rersultieren.

Risikominimierung durch zusätzliche Schutzlinien im Deichhinterland

Auch wenn in den durch öffentliche Küstenschutzanlagen gesicherten Küstengebieten grundsätzlich ein hohes Schutzniveau vorhanden ist, gibt es keinen absoluten Schutz gegen extreme Sturmflutereignisse. Da immer ein Restrisiko bezüglich des Versagens von Küstenschutzanlagen bestehen bleibt, stellen Maßnahmen zur Risikominimierung im Deichhinterland eine sinnvolle Ergänzung des Küstenschutzes dar.

Als Maßnahmenoptionen für die Risikominimierung kommen grundsätzlich die Erhaltung bzw. der Ausbau von zweiten Deichlinien  sowie die zusätzliche Polderung/  Kammerung des Deichhinterlands durch ein System weiterer Schuztlinien parallel und quer zur Hauptdeichlinie in Betracht.

Risikominimierung durch angepasste Nutzungsformen und Objektschutz Insbesondere in Küstenbereichen mit erhöhter starkregen- oder sturmflutbedingter Überflutungsgefährdung (z. B. in bersonders tief liegenden Gebieten oder in Zwischenzonen eines räumlich gestaffelten Küstenschutzsystems) wären zur Risikominimierung angepasste Formen der Landnutzung erforderlich. Überlegungen zur Nutzung solcher Bereiche wurden z. B. im EU-INTERREG-Projekt ComCoast angestellt, das von der "Michael Otto Stiftung für Naturschutz" veröffentlichte  "Zukunftsbild für eine klimasichere Wattenmeerregion" skizziert mögliche Nutzungsmöglichkeiten einer neu zu erschaffenden Pufferzone zwischen Hauptdeich und zweiter Deichlinie. So könnte diese z. B. als Naturlandschaft, für Tourismus- und Naherholungsfunktionen, zur landwirtschaftlichen Prokuktion, zur Bewirtschaftung von Aquakulturen und zur Gewinnung von Biomasse  (z. B. durch Anbau von Röhrricht) oder - bei angepasster Bauweise bzw. entsprechenden Objektschutzmaßnahmen - auch zu Siedlungszwecken genutzt werden.

Partieller Rückzug aus besonders erosionsanfälligen bzw. sturmgefährdeten Küstenbereichen

Wegen des vorraussichtlich noch sehr lange fortschreitenden und sich möglicherweise stetig beschleunigenden Meeresspiegelanstiegs muss  - neben der Verstärkung des technischen-linienhaften Küstenschutzes in bestimmten Küstenbereichen langsristig womöglich auch eine teilweise Rückverlagerung bzw. Aufgabe der bestehenden Küstenschutzlinie  und  der davon betroffenen Nutzungen nachgedacht werden.

Bereitstellung von Klei und Sand für Küstenschutzzwecke

Für die Deckschickt der in Erdbauweise errichteten Küstenschutzdeiche wird Klei eingesetzt, der überwiegende in den deichgeschützten Kürstenmarschen sowie in kleinerem Umfang in geeigneten Außendeichflächen gewonnen wird. Für die Ertüchtigung der Deiche auf die im Generalplan Küstenschutz Niedersachsen/ Bremen festgelegten Bestickungshöhen werden rd. 14 Mio. m³ Klei benötigt. Wäre wegen des Klimawandels eine Erhöhung um 1 m erforderlich, stiege der Kleiebedarf auf bis zu 30 Mio. m³. Weiterer Bedarf könnte zudem durch den Ausbau bzw. die Einrichtung von zweiten Deichlinien oder sonstigen zusätzlichen Schutzlinien im Deichhinterland entstehen.

Bereitstellung von Sand

Für die sandigen Küsten der Ostfriesischen Inseln sowie die Watt- und Deichvorlandbereiche werden die Belastungen infolge des Klimawandels langfristig zunehmen. Um Schutz vor Erosion und zum Ausgleich von Sedimentdefiziten werden daher Sandaufspülungen als Maßnahmen des Küstenschutzes künftig an Bedeutung gewinnen. Neben der gezielten Umlagerung von paralell transportiertem Sediment kann dabei bedarfsweise auch die Gewinnung von Sediment von außerhalb,  d. h.aus tieferen Bereichen der Nordsee, erforderlich werden.

Neustrukturierung des Wassermanagements In Bezug auf die klimatischen Veränderungen der Rahmenbedingungen, aber auch aus Gründen einer generellen Effizienzsteigerung könnte in einigen Küstenbereichen eine Neustrukturierung des Wassermanagements und der zuständigen Wasser- und Bodenverbände (Gründung von Zweckverbänden, Zusammenlegung und Vergrößerung von Verbandsgebieten, Optimierung der Wasserführung) erforderlich werden, bei der insbesondere die natürlichen Gegebenheiten, d. h. die topografischen und hydrologischen Verhältnisse, stärker zu berücksichtigen wären.

Tourismus/ Naherholung/ Freizeit

Zu den Chancen des Klimawandels gehört die Attraktivitätssteigerung des niedersächsischen Küstenraums als Tourismus- und Naherholungsregion im Vergleich zu Standorten im Binnenland bzw. in mediteranen Gebieten. Höhere Sommertemperaturen erhöhen die Eignung des Wassers zum Baden, der Wind im Küstenraum sorgt gleichwohl weiter für gewünschte Abkühlung. Bei einer klimawandelbedingten zusätzlichen Besuchernachfrage wären die Kapazitäten der traditionellen Badeorte an der Festlandküste und auf den Ostfriesischen Inseln bald erschöpft. Auf den Inseln besteht in der Hauptsaison bereits heute eine sehr hohe Auslastung. Der zusätzliche Bedarf würde nur berfriedigt werden können, wenn zusätzliche, küstennahe Wasserflächen zum Baden und für den Wassersport (z. B. Surfen, Paddeln) mit entsprechender touristischer Infrastruktur an der Festlandküste bereitgestellt werden können. Solche Flächen könnten bei entsprechender Gestaltung und Lage  in Form der durch Kleiabbau entsprechende Gewässer und/ oder durch im Wassermanagementsystem entsprechende Speicherpolder geschaffen werden.

Naturschutz

Für den Naturschutz im Nationalpark, Biospärenreservat und UNESCO-Weltnaturerbe Niedersächsisches Wattenmeer würden sich aus dem Klimawandel vor allem dann dramatische Veränderungen ergeben. Wenn die Wattenküste aufgrund eines stark beschleunigten Meeresspiegelanstiegs nicht mehr in der Lage sein sollte, durch Sedimentanhäufig entsprechend mitzuwachsen. Aufgrund der bestehenden Hauptdeichlinie, die eine starre Trennung zwischen Meer und Land darstellt, ist eine dynamische Entwicklung der Wattenküste durch Verlagerung landeinwärts, wie sie natürlicherweise erfolgen würde, weitestgehend ausgeschlossen. Es würde daher zu einem einem s. g. "Coastal Squeeze - Efffekt kommen, der zu einem Verlust an Watt- und Deichvorlandflächen führen würde. Zum Erhalt der biologischen Vielfalt könnte es demnach notwendig werden, Ausweichhabitate zu schaffen. Dafür kämen z. B. solche Flächen infrage, die zwischen Sommerdeich und Hauptdeich oder zwischen Hauptdeich und zweiter Deichlinie/ Polderdeich für das Einströmen der Tilde geöffnet würden bzw. die bei partiellen Deichrückverlegungen wieder der natürlichen Dynamik des Wattenmeers ausgesetzt wären. Durch die Veränderungen der Wasserhaltung bei der Binnenentwässerung könnten zudem grundwasserabhängige Biotoptypen, wie z. B. Feucht- und Nassgrünländer oder Moore renaturiert werden.

Sicherung des Flächenbedarfs für Maßnahmenoptionen des Küstenschutzes und des Wassermanagements

Die Prüfung des Raumbedarfs für die Umsetzung zukünftiger Küstenschutzstrategien und die vorrausschauende Freihaltung der erforderlichen Flächen von Bebauungen und sonstigen nur schwer revidierbaren Nutzungen sind wesentliche Vorraussetzungen, um die notwendige räumliche Flexibilität für Küstenschutzmaßnahmen zu gewährleisten. Aus diesem Grund fordert das LROP Niedersachsen 2012, das in den Regionalen Raumordnungsprogrammen vorsorgend Flächen für Deichbau und Küstenschutzmaßnahmen zu sichern sind - und zwar unabhängig davon, ob es sich dabei um heute praktizierte Maßnahmen oder um zukünftige, neu entwickelte Alternativen handelt.


Referenzen

Jan Spiekermann, Enke Franck (Hrsg.) Anpassung an den Klimawandel in der räumlichen Planung - Handlungsempfehlungen für die niedersächsiche Planungspraxis auf Landes- und Regionalebene pdf

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