Den Flüssen mehr Raum geben - Renaturierung von Auen

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Den Flüssen mehr Raum geben

Version vom 9. November 2017, 11:32 Uhr

Für die Entwicklung der Fließgewässer haben sich in den letzten 15 Jahren die politischen, gesellschaftlichen und gesetzlichen Rahmenbedingungen grundlegende geändert. Hierzu hat seit dem Jahr 2000 insbesondere die Wasserrahmenrichtlinie der Europäischen Gemeinschaft (EG Wasserrahmenrichtlinie) beigetragen. Mit dieser Richtlinie ging eine Neuausrichtung im Gewässerschutz einher. Früher stand die Wasserqualität im Mittelpunkt. Heute hat man die Gewässer als Ganzes im Blick. Als Lebensraum für Tiere und Pflanzen, auf die Ufer und seine Strukturen, die Auen, die Durchgängigkeit für die Fauna und die Intensität der verschiedenen Nutzungen der Gewässerlandschaften.

Die Bundesregierung hat 2009 zusammen mit dem Bundesamt für Naturschutz einen Auenzustandsbericht vorgestellt und damit den Verlust von Überschwemmungsflächen und den Zustand der Flussauen in Deutschland dokumentiert.

Aus dem Ergebnis liest sich, dass nur noch rund ein Drittel der ehemaligen Überschwemmungsflächen von Flüssen bei großen Hochwasserereignissen überflutet werden können. An Rhein, Elbe, Donau und Oder sind an vielen Abschnitten gerade noch zehn bis 20 Prozent der ehemaligen Auen für Überflutungen verfügbar.

Um hier für Abhilfe zu sorgen, wurde das Bundeprogramm "Blaues Band" verabschiedet, mit dem die Renaturierung von Fließgewässern und Auen auf Bundesebene in Angriff genommen werden soll.

Mit der Reform der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung wird es ein fast 2.800 km langes Nebennetz von Wasserstraßen geben, das nicht mehr für den Gütertransport gebraucht wird. Es bietet sich also an, sie für die Renaturierung weiterzuentwickeln. Es sollen aber auch im Kernnetz der Bundeswasserstraßen Renaturierungsprojekte verwirklicht werden.

Bund und Länder haben nach den verhererenden Hochwasserereignissen 2013 das Nationale Hochwasserschutzprogramm erarbeitet. Ziel des Programms ist es, den Flüssen mehr Raum zu geben. Das Programm soll jährlich fortgeschieben werden.

Es sprechen viele Gründe dafür, dass wir uns intensiver um unsere Gewässer kümmern und alles daran setzen, ihren ökologischen Zustand zu verbessern. Unsere naturnahen Auenlandschaften sind Zentren der biologischen Vielfalt, bilden die Grundlage für den vorsorgenden Hochwasserschutz und sind Anziehungspunkte für Naturerleben und Naherholung. Dieses Naturkapital gilt es als s. g. "Grüne Infrastruktur" für heutige und künftige Generationen zu erhalten und zu entwickeln.

Naturnahe Flussauen mit ihrer beeindruckenden Vielfalt an Lebensräumen sind die Lebensadern unserer Landschaft. Hier finden sich in unmittelbarer Nachbarschaft Flussarme und Altgewässer, Tümpel, urwaldartige Auenwälder, Feuchtwiesen, trockene Sandufer und Kiesinseln. Nass und trocken - diese Extreme im Rhythmus von Hoch- und Niederigwasser der Flüsse bieten vielen Pflanzen und Tieren, die an diese Bedingungen angepasst sind, ein Zuhause.

Auen übernehmen viele wichtige Funktionen für die Gesellschaft. Bei Hochwasser können unbebaute Auen große Wassermassen aufnehmen und so Siedlungen vor Hochwasser schützen. Wenn in den Flusstälern Wiesen und Moore wiedervernässt werden, tragen Gewässerlandschaften zur Minderung von Treibhausgasen bei und wirken so dem Klimawandel entgegen. Auch die Wasserreinigung ist eine Leistung intakter Gewässer und Auen, von der wir täglich profitieren.


Inhaltsverzeichnis

Zurück zu naturnahen Auen

Die heutigen Flusslandschaften sind Schwerpunkte der Siedlungs- und Wirtschaftsentwicklung und durch verschiedene menschliche Nutzungen geprägt. Traditionelle Landnutzungen waren an die Gegebenheiten der Auenflächen angepasst. Überflutungen, sowie in bergrenztem Maße dynamische Prozesse wie Uferabbrüche und Sedimentumlagerungen konnten noch stattfinden. Lange Zeit haben auch die an den Standort angepassten Nutzungen die natürliche Lebensraumvielfalt der Auen bereichert.

Seit dem 19. Jahrhundert wurden Flüsse auf tausenden Kilometern Länge begradigt, vertieft und ihre Ufer befestigt. Ein Großteil der Auen wurde durch Deiche und Dämme von den Flüssen abgeschnitten, landwirtschaftlich intensiv genutzt und besiedelt. Mit dem fortschreitenden technischen Gewässerausbau und der zunehmenden landwirtschaftlichen Intensivierung durch verstärkte Düngung und häufigere Mahd ab den 1950er Jahren sowie durch die Umwandlung von Grünland zu Äckern, verloren die Auenlandschaften nicht nur ihr typisches Gesicht, sondern auch wichtige ökologische und gesellschaftliche Funktionen.

Die Notwendigkeit der Renaturierung von Flussauen, ist auch durch die vielen Hochwasserereignisse der vergangenen 25 Jahre u. a. an Rhein, Donau, Elbe, Oder und deren Zuflüssen zunehmend in den Blickwinkel der Öffentlichkeit geraten. Die volkswirkschaftlichen Schäden durch die Hochwasserereignisse 2002 und 2013 im deutschen Danau- und Elbeinzugsgebiet betrugen zusammen mehr als 18 Miliarden Euro. Die Investitionen, die für eine Verbesserung des vorsorgenden Hochwasserschutzes  in Deutschland nötig werden, sind dagegen deutlich niedriger. Daher wurde 2014 das Nationale Hochwasserschutzprogramm gemeinsam von Bund und Ländern entwickelt.

Eine wichtige Säule des Programms ist die Rückverlegung von Deichen und die Wiedergewinnung natürlicher Rückhalteräume. Darüber hinaus umfasst das Nationale Hochwasserschutzprogramm noch den Bau von Poldern und Hochwasserrückhaltebecken sowie die Beseitigung von Schwachstellen. Von Deichrückverlegungen profitiert nicht nur das Ökosystem Flussaue, sie ist auch in vielen Situationen ein effektive Methode zur Senkung des Hochwasserscheitels.

Die Rückgewinnung von Überschwemmungsflächen ist eines der wichtigsten Ziele bei der Auenrenaturierung, und das nicht nur an den großen Flüssen, sondern auch an den vielen Zuflüssen und Bächen.  Erreicht wird dieses Ziel, durch den Rückbau oder die Verlegung von Deichen ins Hinterland. Dadurch lassen sich eine bessere ökologische Vernetzung zwischen Fluss und Aue sowie effiziente Verbesserungen im Hochwasserschutz miteinander verbinden. Auch die naturnahe Gestaltung von Bächen kann effektiv zur Wasserrückhaltung in der Fläche beitragen.

Die ökologische Verbesserung vorhandener Auen ist ein weiteres wichtiges Ziel der Auenrenaturierung. Denn trotz aller menschlicher Eingriffe und Veränderungen sind aktuell überflutbaren Auenbereiche zu etwa einem Viertel in ihrer ursprünglichen Formenvielfalt mit Altgewässern und Flutrinnen erhalten geblieben. Über zehn Prozent der heutigen Flussauen sind mit Wald bedeckt und etwa die Hälfte wir als Grünland genutzt. In vielen Flusslandschaften besteht somit ein erhebliches Potenzial, Teile der Aue naturnah zu gestalten.

Die Schaffung von naturnahen Gewässern, auentypischen Feuchtgebieten und Stillgewässern, artenreichen Feuchtwiesen, strukturreichen Weich- und Hartholzwäldern und die Förderung standortangepasster Nutzungen führen zu besseren Lebensbedingungen für zahlreichen Tier- und Pflanzenarten. Durch das Entfernen von Uferverbauungen, das Anbinden der durch die Flussbegradigung abgetrennten Altarme und Flutrinnen, das Belassen oder Einbringen von Totholz ins Gewässer, die Anhebung der Gewässersohle sowie die Rückverlegung oder den Rückbau von naturnahen Dämmen oder Deichen ist es möglich, die  natürliche dynamische Entwicklung von Ufer und Aue wieder in Gang zu bringen. In aufgestauten Bächen und Flüssen sind die Entfernung  von Querbauwerken, eine Dynamissierung des Abflusses sowie die Wiederherstellung der ökologischen Durchgängkeit wichtige Renaturierungsmaßnahmen.

Zur Umsetzung erfolgreicher Maßnahmen müssen  ausreichend große Flächen zur Verfügung stehen. Der hierfür erforderliche Flächenbedarf muss frühzeitig definiert und mit Hilfe der Landschaftsplanung gesichert werden. Bei der Flächenbereitstellung sollten ein langfristiges Bodenmanagement erfolgen und erfahrene Organisationen (zum Beispiel Flurbereinigungsbehörden) einbezogen werden.

Auenrenaturierungen verändern das bisherige Landschaftsbild. Deshalb bedarf der Abschied von den gewohnten Bildern einer geordneten und gepflegten Kulturlandschaft auch auf noch so kleiner Fläche einer großen Akzeptanzwerbung. Dies lässtt sich vor allem durch die Dokumentation der tatsächlich eintretenden Veränderungen, besser aber durch das eigene Erleben erreichen.

Je mehr Auenrenaturierungen umgesetzt werden, desto vertrauter werden die neu geschaffenen naturnahen Landschaften.

Auenschutz und Auenrenaturierung

Initiativen zur Renaturierung von Flüssen und Auen gehen häufig vom amtlichen oder ehrenamtlichen Naturschutz, der Wasserwirtschaft oder auch von der Fischerei aus. Für den Naturschutz stehen dabei oft Ziele des Biotop- und Artenschutzes im Vordergrund, wie der Schutz seltener und gefährdeter Arten, sowie die Erreichung Schutzzielen für bestimmte Lebensraumtypen und Arten in Gebieten gemäß Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie der Europäischen Gemeinschaft (FFH) und Vogelschutzgebieten.

Die Wasserwirtschaft setz Renaturierungsplanungen zur Erreichung guter ökologischer Zustände nach der EG-Wasserrahmenrichtlinie um und befördert damit meist auch Naturschutzziele. Viele Maßnahmen haben zudem positive Wirkungen auf den natürlichen Wasserhaushalt und leisten damit einen Beitrag zum Hochwasserschutz. Fluss- und Auenrenaturierungen erzeugen also vielfältige Synergien, die es noch stärker als bislang zu nutzen gilt.

Renaturierungsmaßnahmen werden dabei mit Fördermitteln der Wasserwirtschaft oder des Naturschutzes unterstützt. Auch eine Kombination aus Eigenanteilen des Maßnahmenträgers, Fördermitteln und der Umsetzung von Kompensationsverpflichtungen aus der naturschutzrechtlichen Eingriffregelung wird teilweise ermöglicht.

Auf allen Planungsebenen existieren Instrumente, die sowohl seitens des Naturschutzes wie auch seitens der Wasserwirtschaft für den Schutz und die Entwicklung von Flüssen und Auen genutzt werden können. Dabei werden Schritt für Schritt die inhaltlichen und räumlichen Vorgaben aus der übergeordneten Planungsebene übernommen und weiter konkretisiert. Gleichzeitig werden Aussagen der Landschaftsplanung und der Wasserwirtschaft auf der jeweiligen Planungsebene als Fachbeiträge für die räumliche Gesamtplanung berücksichtigt. Diese stimmen die unterschiedlichen Nutzungsansprüche an die Fläche aufeinander ab.

Auf regionaler Ebene sollte die Bedeutung der Flussauen im Rahmen der Landschaftsrahmenplanung und deren Integration in die Regionalplanung herausgestellt werden, z. B. bei der Festlegung von Biotopverbundflächen. Dasselbe gilt auf der Ebene der kommunalen Landschaftsplanung und der Flächennutzungsplanung, in der Flussauen etwa vor dem Zugriff beeinträchtigender baulicher Nutzungen geschützt werden können.

Im Rahmen der Eingriffregelung, z. B. Bauleitplanung, ist eine stärkere Berücksichtigung von Gewässer- und Auenrenaturierungmaßnahmen zudem als Kompensationsmaßnahme möglich.

Große Gemeinsamkeiten von Naturschutz- und Wasserwirtschaft ergeben sich auf Projektebene vor allem in Natura 2000-Gebieten. Für die dort vorkommenden Arten sollten genaue, gebietsentsprechende Ziele für deren Erhaltung formuliert und mit den Zielen des Gewässerschutzes abgestimmt werden.

Günstige Vorraussetzungen für eine erfolgreiche Umsetzung von Auenrenaturierungsmaßnahmen bestehen wenn:


Gesellschaftlicher Nutzen von Gewässern und Auen

Naturnahe Auen zählen zu den vielfältigsten Landschaften in Deutschland. Durch die bei Hochwasser ablaufenden dynamischen Prozesse kommen unterschiedliche zum Teil extreme Standorte in unmittelbarer Nähe vor: Pionierstandorte finden sich neben alten Wäldern, Trockenstandorte neben Auengewässern.

Dank dieser enormen Vielfalt an Lebensräumen zählen Auen zu den "Hotspots" der Biologischen Vielfalt. Viele der dort vorkommenden Arten sind Spezialisten mit einem Verbreitungsschwerpunkt an Fließgewässern und in Auen, die sich an die extemen Habitatsbedingungen unter dem Einfluss von Hoch- und Niedrigwasser angepasst haben. Da Bach- und Flussauen die Landschaft als natürlicher Biotopverbund durchziehen, sind sie für viele Arten auch als Wanderkorridore und Ausbreitungswege unentbehrlich.

Intake Gewässer und Auenlandschaften sind aber nicht nur von ökologischem Wert, sondern erbringen als sogenannte" grüne Infrastruktur" gleichzeitig einen bedeutenden gesellschaftlichen Nutzen. Wirkungsvoller Hochwaschutz, effektive Wasserreinigung, der Rückhalt von Treibhausgasen und der für jeden fühlbare Freizeit- und Erholungswert werden ofmals gar nicht als Leistung erkannt. Viele dieser im verborgenen liegenden Werte sind jedoch auch monitär messsbar. Die Beiträge liegen in Millionenhöhe. Ivestitionen in die grüne Infrastruktur könnnen ebenso volkswirtschaftlichen Nutzen erzielen wie Investitionen in die s. g. "Graue Infrastruktur".

Wenn Auen großflächig überflutet werden können, sinkt andernorts das Risiko, das Menschen bei Hochwasser in Gefahr geraten und an Gebäuden hohe Schäden entstehen. Das zeigt sich bei jedem großen Hochwasserereignis. Die Schutzwirkung und der Nutzen von Auen können künftig noch gesteigert werden, wenn weitere naturverträgliche Hochwasserschutzmaßnahmen zur Anwendung kommen. So wurde fü die Schutzwirkung der Auen an der mittleren Elbe beim Einsatz von großräumigen Deichrückverlegungen für die nächsten 90 Jahre ein Wert von 177 Millionen Euro berechnet. Werden neben der Hochwasserschutzwirkung noch andere Faktoren mit einbezogen - etwa die Unterhaltungs- und Sanierungskosten für den alten Deich oder der Nutzen aus dem Rückhalt von Nährstofffen, dem Freizeitwert und aus dem Erhalt der biologischen Vielfalt - übersteigt der Nutzen an der Elbe die Kosten um mehr als das Dreifache.

Moorreiche und nasse Flussniederungen helfen auch beim Klimaschutz. Maßnahmen zum Erhalt und zur Entwicklung solcher Flussniederungen rechen sich auch wirtschaftlich. So beträgt z. B. der Wert der Treibhausreduktion durch eine Wiedervernässung von 30.000 Hektar Moorfläche in Meckenburg-Vorpommern 33,6 Millionen Euro jährlich. Setzt man die Kosten der Renaturierung einschließlich möglicher zukünftiger Erträge, zum Beispiel aus einer naturgerechten Nutzung von Moorwäldern, ins Verhältnis zu den verschiedenen CO2-Emissionen, so ergibt sich bei Renaturierungmaßnahmen ein Kostensatz von 0 bis 15 Euro pro eingesparter Tonne CO2. Im Vergleich zu anderen Maßnahmen zur Reduktion von Treibhausgasen sind Moorrenaturierungen konkurenzlos günstig. Im Vergleich dazu kostet ein reduzierter Ausstoß von Treibhausgasen durch den Einsatz von Wasser- und Windkraft 22 bis 70 Euro pro Tonne Co2, bei Bei Biomasse liegt der Betrag bei bis zu 459 Euro.

Die natürliche Filterfunktion von Auen spart im Bereich der Wasserreinhaltung Kosten im erheblichem Maße. Intakte Feuchtgebiete und Auen mindern den Stickstoff-  und Phosphoreintrag in die Gewässern und das Grundwasser. Damit tragen sie zur Reinhaltung der Gewasser und des Trinkwassers bei. Kostenintensive technische Maßnahmen zur Wasserreinhaltung können verringert werden. Auch Nord- und Ostsee, die immer wieder unter einer übermäßigen Nährstoffzufuhr leiden, profitieren von der Filterfunktion naturnaher Auen.

Viele Freizeitaktivitäten finden gerade am Rande von Ballungsräumen vor allem an Gewässern statt. Flussauen werden hier zu attraktiven und gleichzeitig stark frequentierten Naherholungsräumen.

Mit der zunehmender Nachfrage nach Erholung und sportlicher Bestätigung in der Natur steigen in Regionen mit intakter Natur auch die Einnahmen von Gastronomie, Hotelgewerbe und Freizeiteinrichtungen. Davon profitieren sowohl die Menschen als auch die kommunalen Haushalte.

Der Erhalt der natürlichen Ökosysteme ist somit auch volkswirtschaftlich sinnvoll. Den Maßnahmekosten für die Renaturierung stehen Leistungen gegenüber, die der Gesellschaft über einen langen Zeitraum zugutekommen. Das sollte Anlass dazu sein, der Entwicklung von intakten Flussauen mehr Gewicht zu verleihen, als bisher geschieht.


Bundesweiter Überblick

Um natürliche Auen für den Natur- und Hochwasserschutz zu reaktivieren und Flusslandschaften zu renaturieren, wurde bereits seit den 1980er Jahren in allen Regionen Maßnahmen ergriffen. Verstärkte Anstrengungen wurden von den Wasserwirtschafts- und Naturschutzbehörden unternommen. Seit den 1990er Jahren wird zudem das Ziel verfolgt, natürliche Rückhalteflächen wiederherzustellen. Bei einer fachgerechten Planung können damit gleichermaßen Ziele des Hochwasserschutzes und des Auenschutzes erreicht werden.

Allerdings ist die Wirkung der bislang umgesetzen Maßnahmen in der Fläche noch begrenzt. Die wenigen großflächigen Projekte besitzen noch Modellcharakter. Andererseits zeigen die Erfahrungen, dass auch bei begrenztem Spielraum, selbst in Ortslagen, weitreichende Entwicklungsmaßnahmen möglich sind und von der Bevölkerung angenommen werden.

Deutschlandweit wurden von 1979 bis 2014 etwa 170 größere Auenrenaturierungen an Flüssen umgesetzt. Bei rund dreiviertel der Projekte führten die umgesetzten Maßnahmen zu einer deutlichen Verbesserung des Auenzustandes.

Die Gewässerbetten und Ufer  wurden naturnah gestaltet. Altarme und Flutmulden wurden wieder an das Gewässer angebunden, Auenwälder, Feuchtwiesen, Röhrichte (z. B. Schilf) wiederhergestellt, Deiche zurückverlegt, künstliche Rückstaue aufgehoben und land-und forstwirtschaftliche Nutzung extensiviert.

Im Zeitraum von 1996 bis 2014 konnten in 59 Projekten Uferdämme und Deiche abgetragen, zurückverlegt oder geschlitzt (in der Mitte ausgehoben und darin Sand eingespült). In diesem Zeitraum wurden 4.403 ha Überschwemmungsfläche an 22 Flüssen zurückgewonnen.Weitere 710 Hektar kommen durch das Belassen eines Deichbruchs am Rhein im Gebiet der Kühkopf-Knoblochsaue im Jahre 1983 hinzu. Dies entspricht insgesamt einer Zunahme an überlutbaren Flächen von ca. einem Prozent. Die zurückgewonnen Flächen werden nun wieder regelmäßig überflutet und leisten einen Beitrag zum vorbeugenden Hochwasserschutz. Insbesondere an Elbe und Rhein wurden größere Deichrückverlegung durchgeführt, die in der Summe je Fluss mehr als 1.000 Hektar betragen.

Auch an kleinen Flüssen, besonders an der Hase (Ems-Einzugsgebiet) und der Wümme (Weser-Einzugsgebiet) sowie an Nidda, Saale, Salzach, Mulde und Sude/ Schaale wurden jeweils mehr als 100 Hektar Aue wiedergewonnen.

Das bundesweite Pozenzial für eine Weideranbindung von Auenflächen wird auf einige zehntausend Hektar geschätzt und ist damit deutlich größer als die bisher realisierten 5.000 Hektar realisiert. Daher müssen weitere Maßnahmen folgen.

Mit gutem Beispiel voran - Auenprojekte in deutschen Flussgebieten

An der Donau wurden mehrere Renaturierungsprojekte zur Schaffung von Flutmulden, Anbindung von Altarmen, Entwicklung auentypischer Strkturen und zur Ausleitung von Wasser in die Aue durchgeführt. In Baden-Würtemberg sind dabei viele Maßnahmen im Rahmen des Intergrierten Donauprogramms umgesetzt worden. Bayerische Projekte im Donaueinzugsgebiet liegen an Altmühl, Naab, Regen, Iller, Isar, Vils und Salzach. Eines der bedeutendsten Projekte ist die Renaturierung im Isarmündungsgebiet zwischen 1989 und 2001. Die größte Deichrückverlegung im Donaueinzugsgebiet mit 110 Hektar zurückgewonnener Aue erfolgte an der Salzach bei Fridolfing.

Die Rückgewinnung von Überschwemmungsflächen im Donaueinzugsgebiet durch Deichrückverlegungen beläuft sich aktuell auf 313 Hektar.


Renaturierung der Donau zwischen Hundersingen  und Binswangen

An der Donau in Baden-Würtemberg wurden ab 1992 zahlreiche Fluss- und Auenrenaturierungen veranlasst, um vorsorgenden Hochwasserschutz zu betreiben und um den sinkenden Grundwasserspiegel entgegenzuwirken. Durch die Begradigung der oberen Donau seit dem 19. Jahrhundert kam es zu einer Sohleeintiefung von bis zu drei Metern. Zwischen Hundersingen und Binzwangen erhielt die Donau von 2009 bis 2012 auf einer Länge von 2,7 Kilometern ein neues flaches, naturnahes Gewässerbett. Das alte Flussbett wurde teilweise verfüllt und die Höhendifferenz zwischen mit einer ökologisch durchgängigen Rampe überwunden. Die vom Land Baden-Würtemberg durchgeführte Maßnahme wure über den Europäischen Landwirtschaftsfond (ELER) kofinanziert.

Im Vergleich zu dem tief eingeschnittenen, geraden und befestigten alten Donauverlauf zeichnet sich eine breite Flusssohle mit vielfältigen Strukturen, wie z. B. Gleit- und Prallufern, Kiesbänken und Inseln, aus. Die Gestaltung erfolgte in Anlehnung an das Gewässerbild.


Isar-Renaturierung

In den Jahren 2000 bis 2011 ist die Isar in München auf einer Länge von acht Kilometern renaturiert worden. Dabei erfolgte eine Verbreiterung des Gewässerbettes, so dass flaches Ufer, vorgelagerte Kiesbänke, Kiesinseln und Steilufer entstanden sind. Gleichzeitig sind in Teilabschnitten die Deichkrone erhöht worden, wobei der wertvolle Baumbestand entlang der Isar enthalten blieb.

Der Isar-Plan ist ein Gemeinsschaftsprojekt des Freistaates Bayern und der Landeshaupstadt München. Die Umsetzung des Projektes diente dem Hochwasserschutz, der Entwicklung einer naturnahen Flusslandschaft und gleichzeitig der Verbesserung des Freizeit- und Erholungsnutzens. Notwendige Bauwerke wurden als flache Rampen und im Boden verborgene flache Sicherungen ausgeführt. Die Lebensbedingungen und Lebensraumvielfalt für die isartypischen Tier- und Pflanzenarten verbessern sich seither nachweislich.

Das Projekt Isar-Plan zeigt, dass eine gelungene Gewässer- und Auenrenaturierung mit naturnahen Strukturen auch in der Stadt möglich ist und sehr gut von der Bevölkerung genommen wird. Die Ziele von Natur-, Hochwasser- und Naherholung wurden gleichermaßen verfolgt und erfolgreich umgesetzt.


Deichrückverlegung in der Lenzener Elbaue

Die derzeit größte Deichrückverlegung in Deutschland liegt an der Elbe im Nordwesten Brandenburgs im Landkreis Prignitz. Das Naturschutzgroßprojekt wurde im Zeitraum 2002 bis 2011 umgesetzt.

Durch die Rückverlegung des Deiches auf einer Länge von 6.100 Metern wurden 420 Hektar neue Überflutungsfläche geschaffen. Die wiedergewonnene Aue zeichnet sich durch ein vielfältiges Mosaik aus neu gepflanztem Auenwald, wechselfeuchten Grünflächen und Flutrinnen aus. Teile des Gebietes werden von Pferden zur Erhaltung der Wiesen ganzjährig beweidet. Die Fläche wird von Zugvögeln, wie dem Kranich, als Rastplatz genutz. Im Winter lassen sich hier zahlreiche arktische Gäste aus der Vogelwelt - z. B. Zwerg- und Singschwänebeobachten - beobachten.

Nach der 2009 abgeschlossenen Deichrückverlegung waren die Hochwasser 2011 und 2013 im Gebiet um bis zu 34 Zentimeter bzw. 49 Zentimeter niedriger als bei einem vergleichbaren Hochwasser vor der Deichrückverlegung. Die hochwassersenkende Wirkung war noch bis etwa 30 Kilometer stromaufwärts der Maßnahme nachweisbar.

Restaurierung der Spreeaue zwischen Döbbrick und Schmogrow

Eines der größten bisher umgesetzten Renaturierungsmaßnahmen des Landes Brandenburg und Teil des "Masterplans Spree" ist die Renaturierung der Spreeauen zwischen Döbbrick und Schmogrow in der Nähe von Cottbus. Anlass der naturschutzrechtlichen Kompensationsmaßnahme war die Entfernung der Gewässer im Bereich der Teichgruppe Lakoma zur Braunkohlegewinnung. Auf elf Kilometern Länge ist die Spree wieder in eine naturnahe Flusslandschaft worden. Neben der Herstellung des Zugangs für Fische und andere Wassertiere wurde die Strukturvielfalt der Spree durch die abschnittsweise Umleitung, den Einbau von Buchten, Inseln und Totholz und das Einbringen von kiesigem Substrat erhöht. Als Maßnahmen in der Aue wurden Deiche zurückverlegt, alte Mänder und einseitige Gewässerläufe reaktiviert, auentypische Vegetation wie Auenwald und Schilfflächen entwickelt, Auengewässer angelegt und vorhandene Entwässerungssysteme stillgelegt.

Das Gebiet umfasst eine Fläche von etwa 400 Hektar Auenlandschaft; auf etwa 280 Hektar sind bis zum Projektabschluss 2012 aktiv Maßnahmen umgesetz worden.

Deichrückverlegung und Auenrenaturierung im Roßlauer Oberluch an der Elbe

Die erste große Deichrückverlegung an der Elbe fand 2003 bis 2006 bei Dessau im Roßlauer Oberluch (Sachsen-Anhalt) statt. Um den Hochwasserschuzt zu verbessern und gleichzeitig die Auenlandschaft ökologisch aufzuwerten, erfolgte der Neubau einers 900 Meter langen Deiches. Der um etwa 1830 errichtete 3,8 Kilometer lange Altdeich ist an drei Stellen geschlitzt worden. Auf der 140 Hektar großen zurückgewonnenen Retentionsfläche wurden Feucht- und Flachwasserbiotope und mehrere temporär gefüllte Flutrinnen geschaffen und eine 34 Hektar große Hartholzaue mit standorttypischen Baumarten neu entwickelt. Das vielfältige Lebensraummosaik aus Feuchtgrünland, Auwald und einer parkartigen Landschaft mit alten Baumbestand bietet auentypischen Tier und Plflanzenarten wie dem Elbebiber, der Rotbauchunke,dem Karanich  und der Sibirischen Schwertlilie einen wertvollen Lebensraum.

Ems

Im 12.947 Quadratkilometer großen Teil des Emseinzugsgebietes im Norddeutschen Tiefland wurden mehrere große Auenrenaturierungprojekte und Deichrückverlegungen umgesetzt. An der Ems sind in Niedersachsen und in Nordrhein-Westfalen u. a. LIFE-Projekte durchgeführt worden, in denen Flächen gekauft, Altarme angeschlossen und eigendynamische Entwicklungen des Flusses auf mehreren Kilometern Länge vorrangetrieben wurden.

Umfangreiche Deichrückverlegungen mit Nutzungsextensivierung führten am Fluss Hase zu einem Zugewinn von 474 Hektar Überschwemmungsfläche. Zwei weitere niedersächsische Auenrenaturierungsprojekte mit Deichrückverlegung und großflächiger Auenentwicklung sind am Aper Tief, einem tidibeeinflussten Süßwasserwatt, durchgeführt worden.

Naturnahe Gewässer- und Auenentwicklung der Ems bei Einen

Das LIFE+-Projekt "Naturnahe Gewässer- und Auenentwicklung der Ems bei Einen" (Nordrhein-Westfalen) ist Teil des Emsauen-Schutzkonzeptes. Die Ems ist im Projektgebiet durch das Initiiren von Eigendynamik und Vernetzung des Gewässers mit der umgebenden Aue ökologisch wesentlich verbessert worden.

Im Jahr 2009 wurde die Ems im ersten Bauabschnitt auf 500 Metern Länge aus ihrem begradigten Verlauf um etwa 200 Meter nach Süden verlegt sowie zwei Altarme mit Buchten und Flachwasserbereichen angelegt. In diesem Abschnitt wird die Aue nun mehrmals jährlich überflutet. In den darauf folgenden Jahren erfolgte in zwei weiteren Abschnitten der Bau von unbefestigten Initialgerinnen (Grabenartige Flussschleifen. Zwischen dem Ufer und der neu entstandenen Insel wird ein Damm errichtet der den Hauptlauf verschließt. Durch die Kraft der Strömung bildet sich ein neues, naturnahes Flussbett.)

Das Projekt ist zur Zeit noch in Umsetzung und beinhaltet auch die Etablierung von Auenwäldern.

Renaturierung der Hase-Aue

Zielstellungen des Erprobungs- und Entwicklungsvorhabens an der Unteren Hase zwischen 1995 und 2002 waren die Renaturierung des Gewässers Hase sowie die Reaktivierung der Altaue. Der Landkreis Emsland in Niedersachsen hat 430 Hektar Acker und Intensivgründland vertraglich gesichert zu extensivem Grünland umgewandelt. In größeren Flussabschnitten wurde die vormals praktizierte Gewässerunterhaltung eingestellt. Insgesamt sind 17 Kilometer Deich an der Hase und am Unterlauf Mitteladde rückgebaut und sieben Kilometer neuer Deich als Siedlungshochwasserschutz errichtet worden.

Der Deichrückbau bewirkte unmittelbar eine Steigerung der Überflutungshäufigkeit der Aue. Des Weiteren wurden Futrinnen und Kleingewässer geschaffen sowie Altarme durch Wiederanschluss an den Hauptlauf reaktiviert, wodurch der Flusslauf um ca. 1.100 Meter verlängert wurde.

Die Hase-Aue, die im Projetkgebiet nun wieder beinahe die gesamte natürliche Aue einnimmt, hat durch die Maßnahme ökologisch erheblich an Wert gewonnen und bildet mit ihren mosaikartigen Biotopstrukturen inzwischen Lebensraum für verschiedene seltene Auentierarten, wie zum Beispiel den Biber. Im Anschluss an das Erprobungs- und Entwicklungsvorhaben wurden mehrere weitere Projekte zur Revitalisierung der Hase-Auen umgesetzt.

Auenrenaturierung der Ruhr bei Körrenzig

Im Rahmen eines grenzüberschreitenden Projektes im deutsch-niederländischen Grenzgebietes ist ein 800 Meter langer Abschnitt der Ruhr bei Körrenzig (Nordrhein-Westfalen) im Winter 2000/ 2001 renaturiert worden. Durch Bodenabtrag, die vollständige Beseitigung einengender Ufer und Einbindung eines Altarmes enstand ein naturnaher und dynamischer Ruhrabschnitt in einem intensiv landwirtschaftlich genutzten Umfeld. Die renaturierten Auenflächen werden nun wieder an rund 60 Tagen im Jahr überflutet, die Flutrinnen sogar an 120 Tagen im Jahr. Innerhalb der ersten zehn Jahren nach Umsetzung hat sich eine vielfältige Auenlandschaft mit ausgedehnten Gebüschen und Auenwäldern entwickelt. Diese werden seit mehreren Jahren stark durch die Aktivitäten des Bibers geformt.


Die Maßnahme führte zu einer Vergrößerung der Retentionsräume und zu einer verminderten Abflussgeschwindigkeit. Die Erweiterung der Sekundärauen verbessert zudem die Hochwasserschutzsituation der flussaufwärts gelegenen Siedlungen.

Naturnahe Auenentwicklung am Rhein in der Kühkopf-Knoblochsaue

Die Kühkopf-Knoblochsaue in Hessen ist eines der größten Auen-Schutzgebiete in Deutschland. Während des Hochwassers im April 1983 brachen in dem Gebiet mehrere Sommerdämme, die nachfolgend nicht mehr verschlossen wurden. Seitdem werden die Flächen wieder regelmäßig vom Rhein überflutet. Nach Aufgabe der intensiven landwirtschaftlichen Nutzung wurden die Flächen in der Aue der Sukzession (Verbuschung) überlassen bzw. werden extensiv bewirtschaftet.

Der Wiederanschluss eingedeichter Flächen an das Überflutungsregime eines Flusses in einem solchem Ausmaß war damals in Europa einzigartig. Die Entwicklungsziele für das Naturschutzgebiet Kühkopf-Knoblochsaue waren fortan die Wiederherstellung eines naturnahen Überflutungsregimes, die Etablierung von Auwald und die Entwicklung von Stromtalwiesen (wechselfeuchte Wiesen) auf ehemaligen Ackerflächen.

Die Auenlandschaft ist besonders für Brutvögel von großer Bedeutung.

Renaturierung der Nidda zwischen Krachenburg und Dortelweil

Nachdem die Nidda in den 1960er und 1970er Jahren begradigt worden war und mehr als 95 Prozent ihrer ursprünglichen Auen verloren hatte, erfolgte ab den 1990er Jahren Überlegungen für eine naturnahe Entwicklung. Zwischen Krachenburg und Dortelweil (Hessen) wurde die Nidda 2009 im Rahmen der Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie im großen Umfang naturnah umgestaltet. Die wieder an den Fluss angeschlossene Aue ist nun durch Flutmulden und Stillgewässer naturnah strukturiert.

Durch den Rückbau von Uferbau und Wallungen hat die Nidda wieder die Möglichkeit erhalten, sich eigendynamisch zu entwickeln. Die Gewässersohle der Nidda ist bis heute bis zu viermal breiter als vor der Renaturierung. Der Hochwasserschutzdamm wurde bis zu 100 Meter zurückverlegt. Die neu geschaffene Aue wird über eine extensive Beweidung gepflegt. Das Projekt ist ein Beispiel für eine Gewässer- und Auenreaktivierung an einem kleinen Fluss mit positiver Wirkung auf den Naturschutz und den Hochwasserschutz. Die Auen der Nidda wurden zwischen Ilbenstadt und der Mündung der Nidda in den Main an mehreren weiteren Abschnitten großflächig renaturiert.

Das Gewässerauenprogramm an der Lippe

Im Rahmen des Gewässerauenprogramms in Nordrhein-Westfalen sind zahlreiche Maßnahmen an der Lippe durchgeführt worden. Das erste Projekt mit einer umfassenden Auenrenaturierung aus den Jahren 1996 und 1997 liegt in der Klostermersch bei Lippstadt-Benninghausen. In diesem Bereich wurde die Sohle der Lippe auf einer Strecke von zwei Kilometern um rund zwei Meter angehoben und das Flussbett von 13 Meter auf 45 Meter verbreitert. In der wieder regelmäßig, schon kleine Hochwasser überfluteten Aue findet nun anstelle von Ackerbau, Naturentwicklung und extensive Grünlandnutzung statt. In den Kleingewässern der Aue brüten Arten wie Neuntöter, Zwergtaucher, Rohrweihe, Bekassine und Schnatterente. Auch verschiedene Fischarten profitieren von der Renaturierung der Aue. So entwickelte zum Beispiel der stark gefährdete Stteinbeißer eine beachtliche Populationsgröße in den Renaturierungsabschnitten.

Weitere Renaturierungsabschnitte an der Lippe liegen in der Heiligenhauser Mersch, Disselmersch, Goldseins Mersch und Stadtgebiet Hamm. Mittlerweile wurden an der Lippe mehr als 20 Kilometer Flusslauf umfassend renaturiert und mehrere hundert Hektar Flussaue naturnah entwickelt.

Renaturierung der Ahrmündung

In den Jahren 1979 bis 1981 und 2003 bis 2004 erfogte die Renaturierung der Ahrmündung (Rheinland-Pfalz).

Die Maßnahnen umfassten den Rückbau von Nebenarbenarmen und den Rückbau von Wegen, eines Entwässerungskanals und eines Sendemastes.

Die Renaturierung ermöglicht großflächig dynamische Erosions- und Sedimentationsvorgänge mit der Bildung von Steilufern sowie Kies- und Schlammflächen. Die verschiedenen Mündungsarme des Flusses werden auch bei Niedrigwasser von der Ahr durchflossen und sind von Auenwäldern, Hochstaudenfluren und Wiesen umgeben. Die Ahrmündung ist eine der weinigen naturnahen Flussmündungen in den Rhein. Durch weitere Projekte im gesamten Verlauf der Ahr konnte die Durchgängigkeit des Flusses wiederhergestellt werden.

Renaturierung der Flutmulde Hostenbach an der Saar

Innerhalb des Rhein-Netz-Projektes ist die Saaraue im Jahr 2005 im Bereich Hostenbach (Saarland) renaturiert worden. Dazu wurde das Vorland auf einer Fläche von vier Hektar abgesenkt. An der neu geschaffenen Flutmulde entwickelten sich naturnahe  Ufer und Röhrichhte. Die Verbindung zur Saar erfolgte über den Einbau von zwei Durchlässen. Durch die Maßnahme verbesserte sich die Quervernetzung von Fluss und Aue und der natürliche Wasserrückhalt in der Fläche.

Oder

Das deutsche Einzugsgebiet der Oder hat eine Größe von 5.550. Quadratkilometern. Die ursprünglich ausgedehnten, bis zu 15 Kilometer breiten Auen sind in großen Teilen ausgedeicht. Entlang des Stroms und besonders im Nationalpark Unteres Odertal werden die Oderauen regelmäßig überflutet, so dass sich großflächige Feuchtwiesen etablieren konnten, die sich mit Altwasser, Schiffbeständen und kleinflächigen naturnahen Auenwäldern abwechseln. Im Bereich des Unteren Odertals wurde 2008 ein 40 Hektar großer Polder wieder überflutbar gemacht. 2009 erfolgten zwei weitere Deichrückverlegungen an der Oder zwischen Ratzdorf und Eisenhüttenstadt mit einer Fläche von 32 Hektar.

Wiedervernässung des Staffelder Polders im Nationalpark Unteres Odertal

Zwischen Mescherin und Staffelde im nördlichen Teil des Nationalparks Unteres Odertal (Brandenburg) wurde der Staffelder Polder 2008 wiedervernässt. Der etwa zwei Kilometer lange Deich, der den 40 Hektar großen Staffelder Polder umgibt, ist an drei Stellen auf insgesamt 200 Metern Länge abgetragen worden, um in dem Gebiet ganzjährig Überflutungen möglich zu machen.

Der Staffelder Polder wird seit 19995 nicht mehr wirtschaftlich genutzt und ist sei der Deichschlitzung der naturnahen Entwicklung überlassen. 2009 wurden die Entwässerungsgräben verschlossen und die Entwässerung eingestellt. Langfristig soll sich das Gebiet zu einem naturnahen Moor entwickeln, welches regelmäßig überflutet wird. Dadurch profitiert auch die reiche Vogelwelt des Nationalparks. Unter den 165 Brutvögeln im Gebiet finden sich beispielsweise der seltene Seggenrohrsänger, Kranich und Kiebitz.

Renaturierung der Fischerhuder Wümmeniederung

Die Wümmeniederung liegt im Nordwesten des Landkreises Verden (Niedersachsen). Das vermoorte Binnendelta mit seinen wertvollen Auenlebensräumen ist durch menschliches Wirken stark verändert worden.

Ein etwa 750 Hektar großer Teil der niedersächsischen Fischhuder Wümmeniederung wurde im Jahr 1992 in das Förderprogramm "chance.natur - Bundesförderung Naturschutz" aufgenommen und seit 2006 auch als Bestandteil des europäischen Schutzgebietsystems Natura 2000 dauerhaft für den Naturschutz gesichert. Der Landkreis Verden hat mehrere hundert Hektar Fläche durch Kauf erworben, um die Grundvoraussetzung für die Wiedervernässung zu schaffen. Dies ermöglicht eine flächige Anhebung des Grundwasserspiegels, die Erhöhung von Überflutungsdauer und -häufigkeit des Feuchtgrünlandes und eine höhere Dynamik durch natürliche Überschwemmungen. Dazu wurden im Rahmen des Naturschutzgroßprojektes und weitere Projekte des Landes Niedersachsen auf vielen Kilometern Länge die Verwallungen und Sommerdeiche entlang der Flussarme der Wümme abgetragen, wodurch nun zusätzlich 381 Hektar Niederungsflächen bereits bei mittlereren Wasserständen wieder überflutet werden können. Die Rückgewinnung von Auenflächen an der Wümme gehört damit zu den größten Maßnahmen dieser Art in Deutschland.

Das Projektgebiet ist heute insbesondere für Brut- und Rastvögel von überregionaler ökologischer Bedeutung. Besonders wertvoll für Brutvögel ist das s. g. "Nasse Dreieck". Hier brüten u. a. Weisenweihe, Bekassine, Uferschnepfe, Großer Brachvogel und Schilfrohrsänger.

Renaturierung der Borgefelder Wümmewiesen

Die Wümmeniederung im Stadtgebiet Bremen ist seit 1987 als Naturschutzgebiet ausgewiesen. Mit einer Fläche von 677 Hektar ist sie das größte Naturschutzgebiet Bremens. Die Umsetzung des Naturschutzprojekts Borgfelder Wümmewiesen fand im Zeitraum von 1985 bis 2000 statt. Innerhalb des Projektes wurden Flussabschnitte renaturiert, Altarme angelegt, Querbauwerke zu Sohlgleiten (Sohlrampe) umgebaut und zahlreiche Teiche, Tümpel und Blänken geschaffen.Zusätzlich erfolgte eine Deichrückverlegung mit einer Vergrößerung der überflutbaren Fläche von 40 Hektar.

Die Wümmewiesen werden heute hauptsächlich extensiv als Grünland genutzt. Das Gebiet wird im Winter regelmäßig überschwemmt und dient zahlreichen Vogelarten als wertvoller Rast- und oder Überwinterungsraum. Brutvögel wie Bekassine, Kiebitz oder Großer Brachtvogel finden hier ideale Lebensbedingungen.

Renaurierung der Fulda bei Rotenburg

Anlass für die 2004 abgeschlossene Renaturierungsmaßnahme an der Fulda war die Verbesserung des Hochwasserschutzes für die Stadt Rotenburg (Hessen). Dank der Reaktivierung der Flutrinnen und Mulden durchströmt das Wasser unterhalb des Stadtgebietes ein größeres Querprofil. Die durch den naturfernen Gewässerbau künstlich erzeugte hydraulische Engstelle wurde wieder entschärft, so dass der Wasserspiegel im Stadtgebiet von Rotenburg bei einem Hochwasser im Jahr 2011 im Verhältnis zu einem vergleichbaren Hochwasser im Jahr 1946 um 80 Zentimeter abgesenkt werden konnte. Zusammen mit der Flussspaltung erhielt die Fulda vielfältige gewässer- und auentypische Strukturen wie Flachwasserzonen und Stillwasserbereiche, die Lebensraum für zahlreiche Fisch- und Amphibienarten sind.

Die Renaturierung bei Rotenburg ist nur eines von mehren Renaturierungsprojekten, die an der Fulda umgesetzt wurden. Weitere Maßnahmen sind im Bereich Ludwigsau-Mecklar, Bad Hersfeld, in Aheim-Baumbach und bei Bebra-Blankenheim durchgeführt worden.

Renaturierung der Werra bei Sallmanshausen-Wartha

An der Werra bei Sallmannshausen-Wartha (Thüringen) ist ein ehemaliger Altarm wieder an das Überflutungsgebiet angebunden worden. Die Flussufer wurden abgeflacht, die Ufersicherung entfernt sowie einige Stillgewässer in der Aue neu angelegt. Durch die Umsetzung der Maßnahmen erhielt der Flussabschnitt wieder zahlreiche gewässertypische Strukturen und Lebensräume zurück, die sich dank der zurückgewonnenen Überflutungsdynamik selbständig entwickeln können. So entstanden offene kiesig-sandige Uferbereiche, die sich als Laich- und Larvenhabitate zum Beispiel für fließgewässerbewohnende Libellen und Fischarten, eignen. Seltene Arten wie die Sumpfschnecke und die Gelbbauchunke finden in den renaturierten Auenabschnitten einen Lebensraum.

Renaturierung der Flussniederung Peenetal

Zwischen 1992 und 2009 wurde im Rahmen des Naturschutzprojekts "Peenetal-/ Peenehaffmoor" im Nordosten Deutschlands in den Landkreisen Demmin und Ostvorpommern die Flussniederungen der Peene großflächig renaturiert. Das Peenetal ist eines der größten zusammenhängenden Niedermoorgebiete Mittel- und Westeuropas mit großen Anteilen an ursprünglichen Pflanzengesellschaften. Innerhalb des Projetkts wurden rund 10.000 Hektar Niedermoore hydrologisch saniert, so dass der Wasserhaushalt des Peenetalmoores fast flächendenkend auf einem sehr naturnahen Niveau wiederhergestellt ist. Unter anderem wurden 2005 bis 2008 die Polder Görmin, Trissow und Jargenove renaturiert. Dabei wurden drei Schöpfwerke zurückgebaut, Deiche abgetragen und sämtliche Stauanlagen beseitigt. Mehr als die Hälfte der Flächen sind heute nutzungsfrei oder unterliegen einer extensiven Nutzung.

Mithilfe des Naturschutzgroßprojektes sind die Moorzerstörung und die Zersetzung des Torfes gestoppt. Dadurch wurden die Freisetzung von Treibhausgasen deutlich reduziert. Durch die Unterschutzstellung des gesamten Peenetals mit einer Fläche von rund 20.000 ha sind die Projektziele auch langfristig gesichert.

Die vielflältigen Auenstrukturen im Peenetal - ein Mosaik aus Flachwasserseen, Feuchtwiesen, Mooren, Altarmen, verlandeten Gräben, ausgedehnten Bruchwälder und Röhrichten - bieten einer Vielzahl an Tier- und Pflanzenarten einen Lebensraum. So sind hier große Biber und Fischotterbestände heimisch sowie zahlreiche Amphibienarten wie Rotbauchunke und Kammmolch. Überregional bedeutsam ist das Gebiet auch für die Vogelwelt. Neben Rohrdommel, Tüpfelsumpfhuhn und Großem Brachvogel brüten hier See- Fisch- und der seltene Schreiadler. Rund 750 Farn- und Blütenpflanzen wachsen im Peenetal, darunter viele seltene Arten seltener Standorte, wie zum Beispiel das Breitblättrige Knabenkraut und das Ostseeknabenkraut.

Das Auenprojekt Schwartau

Die Schartau soll im Kreis Ostholstein auf rund drei Kilometern Länge renaturiert und deren Aue wieder an den Fluss angebunden werden. So ist geplant, die angrenzenden Flächen zu einer 30 Hektar großen Auenlandschaft mit Au- und Bruchwäldern zu entwickeln. Das Projekt befindet sich derzeit noch in der Planungsphase.

Ziel sind die Wiederherstellung eines naturnahen Gewässerverlaufs, die Entwicklung von Auenwaldbereichen und die Wiederherstellung einer natürlichen Überflutungsdynamik. Dadurch entsteht ein neuer vielseitiger Lebensraum für die im Gebiet vorkommenden Vogelarten und im Wasser lebenden Tiere, wie zum Beispiel die Kleine Flussmuschel.

Referenzen

Bundesministerium für Umwel, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (BMUB), Referat Öffentlichkeitsarbeit, 11055 Berlin (Hrsg.: 2015)

Weitere Informationen

Den Flüssen mehr Raum geben

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