Anpassungsstrategie Karlsruhe: Stadtgrün

Aus KLIMASCOUT für Kommunen
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Baumsanierungsprojekte

Nur ausreichend mit Wasser, Nährstoffen und Bodenluft versorgte Bäume können gut gedeihen und damit ihre Leistung für das Stadtklima optimal erbringen. Die Baumsanierungsprojekte des Gartenbauamtes haben deshalb das Ziel, problematische Standortbedingungen älterer Straßenbaumbestände nachhaltig zu verbessern. Dafür werden Bodenversiegelungen aufgebrochen oder bestehende Pflanzgruben erweitert, um ein speziell für Stadtbäume entwickeltes Substrat in den Wurzelraum einzubringen. Dieses verfügt aufgrund seiner besonderen Korngrößenverteilung über ein hohes Porenvolumen und Wasserspeichervermögen und ist weniger verdichtungsempfindlich. Neupflanzungen werden von Anfang an damit ausgestattet, Belüftungsöffnungen können diese Wirkung noch verbessern. Pro Jahr kann aktuell im Rahmen der städtischen Haushaltsmittel die Sanierung von rund 30 Baumstandorten durchgeführt werden. In jüngster Zeit konnten z. B. Straßenbaumstandorte im Gewerbegebiet Hagsfeld (An der Tagweide) sowie in der Südweststadt (Südenstraße) saniert werden.


Arten- und Sortenwahl

Bei der Auswahl von Pflanzenarten für Begrünung ist zu beachten, dass sie künftigen klimatischen Bedingungen gerecht werden. Vor allem die zunehmende Sommerhitze und Trockenheit erfordern die Auswahl von Arten, die mit Wärme und Trockenphasen besser zurecht kommen. Bei seiner Planung orientiert sich das Gartenbauamt neben eigenen Erfahrungen insbesondere an der vom Arbeitskreis Stadtbäume der Gartenamtleiterkonferenz (GALK) herausgegebenen "Straßenbaumliste", die kontinuierlich fortgeschrieben wird. Das Kriterium "stadtklimafest" ist dort schon lange eine wichtige Eigenschaft der ausgewählten Arten und Sorten.

Mit Ausnahme des Ahorns kann ein Großteil der verwendeten Baumarten nach heutigen Maßstäben als relativ stadtklimafest eingestuft werden. Das gilt beispielsweise für die einheimische Stieleiche, die als Park- und Straßenbaum besonders gefördert wird. Sie hat sich bislang gut bewährt, wenn sie nach einer intensiven Entwicklungspflege ihre Jugendphase hinter sich gebracht hat. Prächtige Exemplare finden sich etwa beim Bundesgerichtshof.

Die zunehmende Anfälligkeit des Ahorns zeigt, dass der Anteil einer Baumart in der Stadt nie zu hoch sein sollte.Das Gartenbauamt setzt daher generell auf eine große Vielfalt und auf Selektionen, die zwar die biologischen Merkmale der ursprünglichen Art aufweisen, aber den städtischen Bedingungen besser gewachsen sind. Konkrete Beispiele sind die etwas schlankere Sorte der Winterlinde (Tilia cordata 'Greenspire') oder eine im Staßenraum bewährte Sorte der Esche (Fraxinus excelsior 'Westhof's Glorie'), die in größeren Beständen etwa entlang der Straßenbahntrasse in der Brauerstraße gepflanzt wurden.


Bewässerung

Die Möglichkeiten, Grünflächen während längerer Trockenphasen künstlich zu bewässern sind begrenzt. Bewässert werden nur repräsentative Grünflächen wie Teile von Stadtgarten und anderen städtischen Parkflächen sowie Blumenbeete. Regelmäßig werden auch neu gepflanzte Bäume über mehrere Jahre gewässert, um den Anwuchs zu fördern. Die Ausweitung künstlicher Bewässerung von Grünstrukturen als "Anpassungsmaßnahme" stößt an Grenzen, da sie personell und technisch kaum zu bewältigen wäre. Bereits heute bindet die notwendige Zusatzbewässerung von jungen Straßenbäumen und Grünflächen in längeren Trockenphasen größere Personalkapazitäten und verursacht zusätzliche Kosten.

Eine Möglichkeit dem entgegenzuwirken, ist die Übernahme von Baumpatenschaften. Seit etwa 15 Jahren können Bürgerinnen und Bürger eine Baumpatenschaft übernehmen. Die wesentliche Aufgabe eines Paten besteht darin, Beschädigungen am Baum dem Gartenbauamt zu melden. Zusätzlich können sie das Beet um den Baum pflegen und bepflanzen. Ebenso ist die Stadt sehr dankbar, wenn in trockenen Sommermonaten die Gießarbeit unterstützt wird, was gerade bei Neuanpflanzungen hilfreich ist. Im Stadtgebiet gibt es momentan 246 aktive, beurkundete Baumpatenschaften. Die Anzahl der nicht registrierten "Paten", die sich um einen Baum kümmern, wird um ein Vielfaches höher eingeschätzt. Der Sachverhalt zeigt, dass ein ausgeprägtes Bürgerinteresse am Großgrün in der Stadt besteht, jedoch die Nachfrage nach einer formellen behördlichen Bestätigung in Form einer Baumpatenschaftsurkunde einer eher untergeordnete Rolle spielt


Pflanzenschutz und Neobiota-Bekämpfung

Um die weitere Ausbreitung invasiver Neophythen (Pflanzen und Tiere, die sich durch menschlichen Einfluss ausgebreitet haben) und Pflanzenschädlinge zu verhindern, ist eine gezielte und teilweise intensive Bekämpfung erforderlich. Da der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln auf öffentlichen Grünflächen in Karlsruhe bewusst äußerst eingeschränkt gehandhabt wird, kommen Pestizide und Herbizide dabei nur in Ausnahmefällen zum Einsatz. Das betrifft insbesondere die Bekämpfung des äußerst hartnäckigen japanischen Staudenknöterich (mit Herbizid "Starane Ranger"). Gegen die Platanennetzwanze und den Eichenprozessionsspinner werden Mittel auf biologischer Basis eingesetzt (Wirkstoff Azadirachtin bzw. Bacillus thuringiensis kurstaki).

Bei der Kastanienmotte stellt nach wie vor die frühzeitige Beseitigung des Laubs die einzig geeignete Gegenmaßnahme dar. Auf diese Weise werden die überwinternden Puppen beseitigt, bevor die Motte schlüpft und erneut ihre Eier ablegen kann. Untersuchungen belegen, dass sorgfältiges Laubsammeln den Befall im nächsten Frühjahr um etwa zwei Drittel verringert. Bei betroffenen Bäumen erfolgt deshalb im Herbst eine gezielte Einsammlung und Entsorgung des Laubs durch das Gartenbaumt und die Stadtreinigung. Außerdem führen die Oberrheinischen Waldfreunde e. V. mit Unterstützung des Gartenamts und in Kooperation mit einigen Schulen regelmäßig großangelegte Laubsammelaktionen unter Rosskastanien durch.

Auch gegen das Eschentriebsterben und die Massaria-Erkrankung von Platanen sind derzeit keine Pflanzenschutzmitttel einsetzbar. Für die städtische Baumpflege bedeutet dies vermehrte Kontrolle und zusätzlichen Aufwand für Schnittmaßnahmen zur Kronenauslichtung.

Besondere Aufmerksamkeit genießt außerdem die Beifuß-Ambrosie, die an einigen Stellen im Stadtgebiet gehäuft vorkommt und durch Ausreißen, regelmäßige Mahd und Mulchen bekämpft wird.


Städtisches Grünsystem

Je größer die Grünflächen und je enger das geknüpfte Netz, desto ausgeprägter können sich in warmen Nächten ausgleichend wirkende Kaltluftströmungen entwickeln. Bedeutende Funktionen nehmen dabei auch die bis an die Innenstadt heranreichenden Waldgebiete ein.

Das Begrünen der Straßen mit Bäumen hat in Karlruhe Tradition. In den letzten Jahrzehnen wurden in der Stadt systematisch noch baumlose Straßen mit Bäumen bepflanzt. Von 1973 bis 2011 stieg die Anzahl von 15.000 auf 72.600 einschließlich der Straßenbäume in den Neubaugebieten. Die Möglichkeiten zusätzlicher Baumpflanzungen sind mittlerweile weitgehend ausgeschöpft. Innerhalb bestehender Straßenräume ist heute kaum noch möglich, geeignete Standorte zu finden. In baumfreien Straßen verhindern oft unterirdische Leitungstrassen oder zu geringe Fassadenabstände das wünschenswerte Pflanzen von Bäumen. Chancen für neue Baumstandorte ergeben sich, sobald Straßenräume von Grund auf umgebaut und neu gestaltet werden. Aktuelle Beispiele sind die Abschnitte von Tulla- und Gerwigstraße in der Oststadt, der Alten Friedrichstraße in Neureuth sowie der Sophien-, Koch- und Vorholzstraße im westlichen Stadtzentrum.


Rasengleise

Da das größte Hindernis bei der Schaffung von Grünflächen mangelde Flächenverfügbarkeit ist, werden auch unkonventionelle Wege wie die Begrünung von Straßenbahngleisen genutzt. Beim Streckenaus- bzw. -umbau von Stadt-/ Straßenbahnstrecken ist der Einsatz von begrünten Rasengleisen mittlerweile ein etablierter Bestandteil. Der klimatische Effekt von Rasen im Gleisbett erreicht zwar bei Weitem nicht die Wirkung von Bäumen. Rasengleise begünstigen jedoch einen zeitverzögerten Niederschlagsabfluss und tragen in einem gewissen Umfang zu einer erhöhten Verdunstung und Abkühlung der unmittelbaren Umgebung bei.


Private Grünflächen, Hinterhöfe, Dach- und Fassadenbegrünung, Entsiegelung

Als Ergänzung zu den eher großflächigen Strukturen erfüllen kleine, isolierte Innenhöfe, Dach- und Fassadenbegrünungen gerade in dicht bebauten Stadtteilen wichtige Funktionen als "Klimaoasen" und unmittelbarer Erholungsraum. Verbesserungen lassen sich hier fast ausschließlich über privates Engagement erziehlen. Durch das Programm "Grüne Höfe, Dächer und Fassaden für Karlsruhe" unterstützt das Gartenbauamt seit über 30 Jahren Gebäudeeigentümer bei der Begrünung von Innen- und Hinterhöfen, Dächern und Fassaden. Das Programm umfasst den Hinterhofwettbewerb und ein eigenes Förderprogramm. Der Hinterhofwettbwerb wird bereits seit 1977 jährlich, seit 2002 im zweijährlichen Turnus ausgeschrieben. Ziel ist es, gelungene Beispiele begrünter Höfe und Dächer bekannt zu machen und mit Geldpreisen und Anerkennungen auszuzeichnen. Bisher konnten fast 750 Preise und etwa 3.000 Anerkennungen vergeben werden. Mit dem "Wettbewerb zur Duchgrünung von Gewerbegebieten" besteht ein ähnlicher Ansatz speziell für Gewerbeflächen.

Ebenfalls werden seit 1982 Maßnahmen zur Aufwertung und Begrünung versiegelter Höfe, Dächer und Fassaden durch das städtische Förderprogramm unterstützt. Die Förderung umfasst kostenlose Beratungen für Anwesen im gesamten Stadtgebiet und finanzielle Zuschüsse in einem ausgewiesenen Förderbereich.

Einen weiteren Anreiz zur Entsiegelung von Flächen - vorrangig unter dem Aspekt des Regenwasserrückhalts - bietet die gesplittete Abwassergebühr. Diese ist bisher nur für Grundstücke ab 1.000 m² verpflichtend vorgeschrieben, wird aber ab 2015 auf alle privaten Grundstücke in Karlsruhe ausgedehnt.

Zur Sicherung der Durchgrünung trägt außerdem die Baumschutzsatzung bei: Seit 1980 sind Bäume auf Privatgrundstücken durch die Karlsruher Baumschutzsatzung geschützt. Demnach dürfen unter anderem Bäume mit einem Umfang ab 80 cm nur mit Genehmigung gefällt werden. In der Regel wird diese nur unter der Auflage erteilt, eine Ersatzpflanzung vorzunehmen.


Bauleitplanung und Baugenehmigungen

In Bebauungsplänen werden Standards für eine klimawirksame Freiflächen- und Bauwerksbegrünung durch verbindliche Festsetzungen vorgeschrieben. Dazu gehören u. a. die Begrenzung der Versiegelung und der Einsatz von versickerungsfähigen Belägen. Strukturreiche Durchgrünung von Freiflächen mit Bäumen und Sträuchern. Funktionsfähige Dachbegrünung, bei extensiver Begrünung mit mindestens 10 cm Substratschicht. Dies gilt heute als Standard auch in Gewerbegebieten (in jüngster Zeit vereinzelt ersetzt durch helle Albedofolie, die was die Wärmereduzierung betrifft, als weitgehend gleichwertig zu beurteilen ist, aber keine Niederschlagswasserrückhaltung leistet und keinen Standort für Pflanzen bieten kann).

Vorgärten sind als Vegetationsfläche anzulegen, auch um dem Trend entgegenzuwirken, diese als Schotterfläche ohne Bewuchs zu gestalten. Ziel ist ein ansprechend begrünter Straßenraum.


Anpassungsaktivitäten

Ein wesentlicher Ansatz für zukünftige Maßnahmen ist die Sicherung und Weiterentwicklung klimatisch relevanter Freiräume  und Grünstrukturen im Grünsystem der Stadt. Das Ziel der Weiterführung des Grünflächenverbunds und seiner Vernetzung ist auch im Integrierten Stadtentwicklungskonzept 2020 (ISEK) verankert. In den nächsten Jahren wird die umfangreiche Entwicklung von Grün- und Parkflächen östlich des Stadtzentrums schrittweise vervollständigt: Mit dem Stadtpark Südost, dem Otto-Dullenkopf-Park und den Grünflächen im Umfeld des Schlosses Gottesaue entsteht ein Parksystem mit einer Gesamtfläche von über 20 Hektar. Dieser auf vormals stark bebautem Gelände geschaffene Grünverbund wird wertvolle Ausgleichsfunktionen für die klimatische Situation im Karlsruher Stadtzentrum wahrnehmen.

Ein weiteres Ziel ist die beispielhafte Anwendung neuer Wege der Gebäudebegrünung in Form von "vertical gardens". Diese genießen aktuell aufgrund einiger spektakulärer Pilotprojekte (z. B. in Frankreich und den Niederlanden) eine hohe Aufmerksamkeit, unterscheiden sich aber von klassischen Fassadenbegrünungen ganz erheblich. So sind umfangreiche konstruktive und technische Vorraussetzungen zu schaffen. Neben den vertikal angeordneten Pflanzenelementen ist insbesondere eine aufwendige automatische Bewässerungsanlage erforderlich, um den gewünschten Effekt zu erzielen.

Die Anzahl der eingesetzten Baumarten und -sorten wird kontinuierlich erhöht, um evtl. Schäden mit neuen Pflanzenschädlingen vorzubeugen.


Referenzen

Stadt Karlsruhe, Umwelt- und Arbeitsschutz, (Hrsg., 2013): Anpassung an den Klimawandel Bestandsaufnahme und Strategie für die Stadt Karlsruhe,pdf

Weitere Informationen

Karlsruhe: Anpassung an den Klimaschutz

Ideen- und Kooperationsbörse zur Klimaanpassung

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