Anpassungsstrategie Karlsruhe: Stadtentwässerung

Aus KLIMASCOUT für Kommunen
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Auswirkungen

In den letzten Jahren fielen in Karlsruhe wiederholt lokal so starke Niederschläge,dass es zu kurzzeitigen  Wassereinstaus auf Straßen kam. Um ein genaues Bild über die Ausdehnung und Zugrichtung von Niederschlägen zu bekommen, betreibt die beim Tiefbauamt ansässige Stadtentwässerung seit neun Jahren insgesamt zehn Regenschreiber, die über das gesamte Stadtgebiet verteilt sind. Die ersten automatischen Regenschreiber wurden bereits 1991 installiert. Dadurch stehen langjährige Daten zum bisherigen Niederschlagsgeschehen in Karlsruhe zur Verfügung. Die Auswertung zeigt allerdings, das auch in Karlsruhe kein eindeutiger Trend hinsichtlich des Auftretens von Starkregen nachgewiesen werden kann.

Mit diesen Messreihen werden jedoch umfangreiche hydraulische Berechnungen mit dem kalibrierten Kanalnetzmodell duchgeführt, um Engpässe im Kanalnetz frühzeitig zu erkennen. Paralell werden nach registrierten Starkniederschlägen die Feuerwehreinsatzlisten ausgewertet. Vor Ort durchgeführte Gefährdungsanalysen ergänzen die Berechnungsverfahren.

2012 wurde außerdem mit einer grundlegenden Analyse begonnen, das bestehende Entwässerungssystem mit der Geländetopografie in einem Testgebiet zu verschneiden. Ziel ist es, die potenziellen Überflutungsgefährdung im Falle von extremen Starkniederschlägen zu ermitteln (wo sind Geländetiefpunkte, wo sammelt sich Wasser, wo sind oberflächige Fließwege und Flutmulden etc.). Die Stadtentwässerung verfolgt seit Mitte der 1990er Jahre konsequent durch den Ausbau des Sammlernetzverbundes eine natürliche, robuste, weniger anfällige Lösung. Alleine über ein höhenreguliertes Abflusssystem wird ein umfangreiches Kanalverbundnetz beschickt und die Retentionsräume der Abwassersammler bei Starkregen aktiviert.

Regenwasserrückhaltung

Im Karlsruher Stadtgebiet existieren 13 offene Rückhaltebecken, um bei starken Niederschlägen einen Teil des Oberflächenwassers aufzufangen und zu einem späteren Zeitpunkt abzuleiten. Außerdem wird der Jägerhaussee nödlich der Waldstadt als Puffervolumen genutzt.

Die Realisierung von unterirdischen Retentionsräumen scheitert oft am Platzbedarf. Durch die Vielzahl von Leitungsssystemen oder die Ausweitung der Fernwärme in Karlsruhe, die bauartbedingte große unterirdische Flächen in Anspruch nimmt, und bei gleichzeitiger Verringerung der Straßenbreite wird es problematisch unterirdische Retentionsräume anzulegen. In der Ludwig-Dill-Straße oder der G.-Braun-Straße wurden große unterirdische Retentionsspeicher von der Straßenentwässerung eingebaut, um Starkregenereignisse abzupuffern und eine Entlastung des Kanalnetzes herbeizuführen.

Entsiegelung

Positive Effekte für die Entsiegelung ergeben sich durch die gesplittete Abwassergebühr, die zum 01.01.2008 in Karlsruhe eingeführt wurde. Dafür wurden alle Grundstücke über 1.000 m³ photogrammetrisch ausgewertet und die versiegelten Flächen von den Eigentümern bestätigt. Für diese Flächen liegen also die Versiegelungsgrade vor. Seit Einführung der neuen Gebührenordnung lassen sich Effekte im Verhalten einzelner Grundstückseigentümer nachweisen. So ist aufgrund der Gebührenersparnis vor allem bei Neubauten zu beobachten, dass Projektträger versickerungsfähige Beläge bevorzugen. Auch die Bereitschaft zum Einbau von Versickerungsanlagen ist seither deutlich gestiegen. Wegen der hohen Umbaukosten zur Entsiegelung ist die Rückbauquote im Bestand dagegen eher gering. Altlastenflächen und teils hohe Grundwasserstände kommen in vielen Stadtgebieten erschwerend hinzu.

Zu beachten ist, dass eine Entsiegelung zwar unbestritten positive Auswirkungen für die Regenwasserversickerung bringt. Das gilt aber vorrangig für schwache Niederschlagsereignisse mit geringer Intensität und Jährlichkeit. Eine Unterstützungsfunktion für das Abflussverhalten bei Starkregen ist nur eingeschränkt gegeben. Viele nicht versiegelten Flächen verhalten sich bei Starkniederschlägen oftmals wie versiegelte Flächen, was sich zum Beispiel anhand der starken Wasserableitung aus Weinbergen, Mais- und Rübenfeldern nachvollziehen lässt.

Eine relativ neue Strategie zum Umgang mti Starkregenereignissen stellt die "multifunktionale Flächennutzung" in Siedlungsräumen dar. Dabei werden Freiflächen (z. B. Parks oder Spielplätze) im Falle eines Starkniederschlages gezielt geflutet und als Retentionsraum verwendet, um das Überflutungsrisiko für andere Bereiche zu verringern.

In Karlsruhe wurde die multifunkionale Flächennutzung bereits an verschiedenen Stellen umgesetzt. Im Technologiezentrum werden Grünmulden als Versickerungsbecken für die umliegenden Grundstücke angelegt. In den Konventionsgebieten Knielingen und Neureut ist man einen Schritt weitergegegangen und hat die Regenwasserkanalisation auf die zentralen öffentlichen Versickerungsanlagen, die auch dem Aufenthalt und in Teilbereichen als Spielflächen verwendet werden, ausgerichtet. Im Baugebiet Smiley (Norweststadt) ist die Straßenentwässerung an die straßenbegleitenden Grünflächen angeschlossen, damit das Oberflächenwasser ortsnah versickern kann. Parkplätze wurden mit versickerungsfähigen Pflasterbelägen versehen.

Um im Falle eines Rückstaus einen unkontrollieren Abfluss des verbleibenden Oberflächenwassers zu vermeiden, ist vor allem bei Neuplanungen eine gezielte Einbeziehung von Frei- und Verkehrsflächen durch die Definition und Anlegung von Notwasserwegen sinnvoll. Bei Übersteigen der Kapazitätsgrenzen der Kanalisation kann oberflächlich abfließendes Wasser in diesen gesammelt und dem Vorfluter zugeleitet werden. Im Bereich der Stadt Karlsruhe wird bereits bei der Straßenplanung darauf geachtet. Straßen in neuen Baugebieten werden deshalb zur Bergseite geneigt und die talseitige Bebauung mit Bordsteinen eingebordet, um Starkniederschläge auf der Straßenoberfläche kurzfristig zwischenzuspeichern.

Durch die Verwendung von Mittelrinnen und die und die Erhöhung der Querneigung zur Mitte kann ein Speichervolumen im Straßenbereich erzeugt werden, das zum Schutz der Anwohner beiträgt. Dieses Verfahren wurde bisher z. B. im Innenstadtbereich sowie bei der Neugestaltung der Gablonzer Straße angewendet.

Die Stadtentwässerung verfolgt das Ziel, die Bevölkerung aufzuklären, um dadurch das Risikobewusstsein für die Gefahr von starkregenbedingten Überflutungen zu schärfen. Das Tiefbauamt bietet hierzu betroffenen Bürgerinnen und Bürgern auf Wunsch eine persönliche Vor-Ort-Beratung zur Vermeidung von Rückstauschäden an. Außerdem beteiligt es sich regelmäßig am städtischen Katastrophenschutztag mit einem Informationsstand, stellt Beratungsbroschüren und Checklisten zur Verfügung und informiert über das Amtsblatt regelmäßig über empfehlenswerte Schutzvorkehrungen gegen Starkregen.

Strategie

Wann immer möglich, soll Straßenwasser über die Bankette zur Versickerung gebracht werden. Die verstärkte Anwendung von versickerungsfähigen Belägen und die Reduzierung von versiegelten Flächen auch im Gleisbereich (Anlegung von Rasengleise) lassen sich neue Flächen für die Speicherung und Ableitung gewinnen. Ebenso können durch die zeitweise Einschränkung der Nutzung von Flächen für die Oberflächenspeicherung von Starkniederschlägen Sicherheitsreserven geschaffen werden.

Auf Beschluss des Gemeinderats soll die gesplittete Abwassergebühr ab 2015 auf alle Grundstücke im Stadtgebiet ausgeweitet werden. Dadurch können sich auch bei kleineren Grundstücken Anreize für Entsiegelungsmaßnahmen ergeben. Alle Grundstückseigentümer bzw. sonstige Nutzungsberechtigte die bisher nach der Einheitsgebühr veranlagt wurden, werden dazu aufgefordert, die Versiegelungsverhältnisse auf Ihrem Grundstück zu erklären. Dazu wird ihnen nach Auswertung von Luftbildern ein Erfassungsbogen mit einer detaillierten Darstellung aller befestigten Teilflächen des jeweiligen Grundstückes inkl. Informationsmaterial zugesandt.




Referenzen

Stadt Karlsruhe, Umwelt- und Arbeitsschutz, (Hrsg., 2013): Anpassung an den Klimawandel Bestandsaufnahme und Strategie für die Stadt Karlsruhe,pdf

Weitere Informationen

Karlsruhe: Anpassung an den Klimaschutz

Ideen- und Kooperationsbörse zur Klimaanpassung

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