Anpassungsstrategie Karlsruhe: Biologische Vielfalt

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Auswirkungen auf Arten

Ob eine Art durch den Klimawandel besonders gefährdet ist oder eher als "robust" eingestuft werden kann, hängt von verschiedenen Faktoren ab.


Ausbreitungsmöglichkeiten

Von großer Bedeutung sind die Mobilität einer Art und ihre Abhängigkeit vom lokalen Biotopverbund. Beides hängt meist zusammen. Arten, die große Distanzen zurücklegen und gegebenenfalls wie Vögel noch fliegen können, sind sehr viel weniger auf den lokalen Biotopverbund angewiesen als terrestrische Arten mit geringem Aktionsradius wie etwa Schnecken. Sonderfälle sind Arten, die zwar sehr mobil sind, aber einen durchgängigen Lebensraum benötigen (z. B. Fische in Fließgewässer, insbesondere der Lachs als Wanderfisch). Andere Arten sind wiederum abhängig  von Transportmedien (z. B. Weidetiere, die Pflanzensamen verbreiten.)


Spezialisierungsgrad

Je spezifischer und komplexer die Anforderungen einer Art an die Umwelt sind, desto geringer ist  für gewöhnlich ihre Anpassungsfähigkeit an Veränderungen. Ist eine Art oder eines ihrer Entwicklungsstadien also auf ganz spezielle Lebensräume oder Strukturen, auf eine oder wenige Futterpflanzen bzw. Beutetiere angewiesen, wird sie tendenziell negativ vom Klimawandel betroffen sein. Als ein Beispiel lässt sich der Wiesenknopf-Ameisenbläuling nennen, für den auch in Karlsruhe besondere Schutzmaßnahmen unternommen werden: Seine Raupen sind auf eine bestimmte Pflanzenart wechselfeuchter Wiesen spezialisiert und die Puppen können nur als Parasit bei einer bestimmten Ameisenart/ -gruppe überwintern. Er ist damit  nicht nur abhängig von den Reaktionen des Wiesenknopf und der Ameise auf den Klimawandel, sondern auch davon, ob sich durch die Erwärmung das Mahdregime der Wiese ändert. Arten mit höherer Toleranz gegenüber Umweltbedingungen werden dagegen nicht so leicht von klimatischen Veränderungen betroffen sein. Durch den Ausfall von einzelnen Arten werden sogar ökologische Nischen frei, die sie ggf. nutzen können. Andererseits werden mit einwandernden Arten neue Konkurrenzen entstehen. Und teilweise können mit Zuwanderern auch Krankheiten eingeschleppt werden, die ansonsten "robusten" Arten zu schaffen machen (z. B. Usuta-Virus und Amselsterben).


Säugetiere

Die meisten Arten können größere Entferungen zurücklegen und so auf örtliche Klimaveränderungen schnell reagieren. Daher wird gerade für große heimische Säugetiere wie Reh, Wildschwein oder Fuchs mit keiner wesentlichen Beeinträchtigung gerechnet. Kleinere Arten, wie Spitzmäuse, Maulwurf oder Igel sind dagegen eher ortsgebunden. Bei ihnen könnte die zunehmende Trockenheit im Sommer ein verringertes Nahrungsangebot (Insekten, Würmer, Schnecken) zur Folge haben. Andererseits verlängern höhere Temperaturen die Aktivitätszeiten im Jahr, so dass sich - auch vor dem Hintergrund milder werdender Winter - die Wahrscheinlichkeit erhöht, die Winterruhe zu überstehen. Weniger Regenphasen im Frühjahr und Sommer dürften zudem die Überlebenschancen von jungen Feldhasen und Wildkaninchen erhöhen.


Vögel

Als äußerst mobile Tiere können Vögel besonders flexibel auf den Klimawandel reagieren. Gleichzeitig sind sie eine wichtige Zeigeart für Klimaveränderungen. Dies gilt speziell für wandernde Arten, bei denen man ein früheres Eintreffen im Frühling und einen späteren Wegzug im Herbst feststellen kann. Außerdem werden bisherige Kurzstreckenzieher durch die Tendenz zu milderen Wintern zunehmend zu Standvögeln, wie etwa Bachstelze und Kiebitz.


Fische, Rundmäuler

Der allgemeine Temperaturanstieg hat auch höhere Wassertemperaturen zur Folge, was für viele Fische zum Problem werden dürfte. Betroffen werden vor allem Arten kühlerer und sauerstoffreicher Gewässer, wie die Bachforelle, das Bachneunauge und die Groppe. Diese gelten im Oberrheingebiet schon heute als gefährdet. Arten wie die Schmerle und der Schlammpeitzger, die auch mit wärmerem Wasser zurecht kommen, dürften hingegen kaum betroffen sein.


Insekten

Insekten dürften auf verschiedene Art vom Klimawandel betroffen sein, insgesamt wird diese Gruppe aber eher profitieren. Dazu tragen insbesondere die milderen Winter bei, die zu geringeren Verlusten der Überwinterungsstadien (Ei, Larve, Puppe) führen und einen früheren Schlupf ermöglichen. Höhere Temperaturen und Feuchtigkeit können einzelne Insekten aber auch anfälliger für Pilzbefall machen. Und Arten, die auf feuchte Lebensräume (Moore, Uferbereiche, Feuchtwiesen etc.) sowie kleinräumrige Sonderstandorte angewiesen sind, droht generell ein Lebensraumverlust.


Pflanzen

Pflanzen sind in erster Linie direkt von veränderten klimatischen Faktoren wie Temperatur, Bodenfeuchte etc. betroffen und i. d. R. nur bedingt ausbreitungsfähig. Generell können von den Temperaturveränderungen vor allem Arten der Trocken- und Magerrasen wie etwa das Berg-Sandröschen oder die Bocks-Riemenzunge profitieren. Häufig sind diese Lebensräume jedoch kleinflächig und isoliert, sodass die Pflanzen kaum Chancen haben, ihre Areale zu vergrößen. Es ist daher zu erwarten, das sich vor allem wärmeliebende "Allerweltsarten" oder Neophyten verstärkt ausbreiten. Dazu zählt beispielsweise die Robinie oder das Schmalblättrige Greiskraut.


Neobiotika und invasive Arten

Ein spezielles Augenmerk ist aus Naturschutzsicht auf sogenannte Neobiotika zu richten. Durch die Intensivierung und Globalisierung des Welthandels gelingt es immer mehr fremden Arten sich in Mitteleuropa zu etablieren, wobei der Klimawandel in vielen Fällen deren langfristige Niederlassung unterstützt. Die Mehrzahl der neuen Arten fügt sich eher unauffällig in die bestehenden Lebensgemeinschaften ein. Allerdings geht von einigen Arten ein stark negativer Einfluss auf die Biodiversität des neuen Lebensraumes aus, beispielsweise dadurch, daß sie heimische Arten dezimieren oder als Folge eines erhöhten Konkurrenzdrucks. Ebenso können Neobiotika wirtschaftliche Schäden anrichten, etwa als Forst- und Landwirtschaftsschädling.


Bekämpfung invasiver Arten

Zur Erhaltung der ursprünglichen Ökosysteme werden in Karlsruhe unterschiedliche Maßnahmen ergriffen. Aus Naturschutzsicht ist hier insbesondere die Amerikanische Traubenkirsche relevant: Mitarbeiter der Forstverwaltung bekämpfen diese im Hardtwald an mehreren Stellen vorrangig durch händisches Herausreißen oder auf größeren Flächen mit maschineller Unterstützung. An einzelnen Schwerpunkten, insbesondere im Oberreuter Hardtwald, erfolgt neuerdings ein gezielter Herbizideinsatz. Dieses Verfahren wurde in Abstimmung mit den Naturschutzverbänden bereits im nördlichen Hardtwald (Staatswald) erfolgreich getestet und ist im Zielkatalog des Maßnahmenplans zum Fauna-Flora-Habitat-Gebiet Hardtwald als Erhaltungsmaßnahme vorgesehen. Auch auf dem alten Flugplatz und in der südlichen Hardt finden Aktionen gegen die Traubenkirsche statt. In kleinerem Umpfang werden dazu Schulklassen aktiviert, die im Rahmen des Projekts "Schüler erleben Naturschutz" Jungpflanzen ausgraben. Arbeiten im größerem Umfang waren in der Vergangenheit häufig auch als Kompensationsmaßnahme für Eingriffe an anderer Stelle angelegt. Als weitere Problemarten in Karlsruhe, bei denen Bekämpfungsmaßnahmen laufen,  gelten die Beifuß-Ambrosie und der Eichenprozessionsspinner sowie die Kastanienmotte und der Japanische Staudenknöterich.


Anpassungsmöglichkeiten

Bei der Entwicklung von Anpassungsmaßnahmen gilt generell: Je größer die biologische Vielfalt eines Ökosystems ist, umso flexibler kann es auf Veränderungen reagieren. Neben der Stabilisierung vorhandener Schutzgebiete besteht deshalb ein zentraler Ansatz darin, die klimabedingten Wander- und Ausweichbewegungen von Arten zu unterstützen und ein ausreichend dichtes Netz an Lebensräumen anzubieten. Ein solcher Biotopverbund stellt für viele Arten eine wesentliche Voraussetzung dar, um sich an den Klimawandel anpassen zu können. Er wirkt zudem dem Verinselungseffekt einzelner Biotope und damit einer genetischen Verarmung entgegen und erhöht als Nebeneffekt die Erholungsqualität in der Natur.

Ausgehend von einer bundesweiten Biotopverbundplanung hat das Land Baden-Württemberg Grundlagen für einen landesweiten Biotopverbund unter Berücksichtigung des Generalwildwegeplanes erarbeiten lassen. Das Regierungspräsidium Karlsruhe verfeinert diese Planungen derzeit für die Ebene des Regionalplans. In einem weiteren Schritt sollen auf Land- und Stadtkreisebene nach einer landesweit einheitlichen Systematik ergänzende Biotopverbundsplanungen erarbeitet werden. Ein größerer Teil der Maßnahmenvorschläge betrifft dabei den Erhalt und die Stabilisierung von Feuchtlebensräumen und ihres natürlichen Wasserhaushalts. Da gerade diese Lebensräume durch den Klimawandel besonders gefährdet sind, stellt dies neben dem eigendlichen Biotopverbund eine weitere wichtige Anpassungsmaßnahme  für den Naturschutz dar.

In Karlsruhe konnten in diesem Bereich bereits einige Erfolge erzielt werden. Im Rahmen des von der EU geförderten Projekts "Lebendige Rheinaue bei Karlsruhe" (2004 bis 2010) wurden z. B. entlang der Rheinniederung mehrere unterschiedliche Feuchtgebiete neu geschaffen. Im Stadtkreis Karlsruhe umfasste die Maßnahmenliste unter anderem die Anbindung der oftmals trockengefallenen Schlute am Ölhafen an die Wasserführung der Alb oder die Schaffung eines zusätzlichen Stillgewässers im "Jadgrund". Aktuell werden im Rahmen eines durch das Bundesamt für Naturschutz geförderten Projekts temporäre Gewässer für den Schutz der Gelbbauchunken angelegt.


Artspezifische Unterstützungsmaßnahme

Darunter versteht man Maßnahmenpakete, die dem Fortbestand einzelner Arten in ihren natürlichen Lebensräumen oder angemessener Ersatzlebensräumen dienen sollen. Maßgebliches Kriterium für die Ergreifung gezielter Artenschutzmaßnahmnen ist die Gefährdung und die Seltenheit einer Art. Es können aber auch andere Gründe eine Rolle spielen: So wurden in der Vergangenheit oftmals besonders attraktive Arten zum Schutzobjekt erklärt (z. B. Orchideen). Gerne werden auch Arten, die aufgrund ihrer Bekanntheit oder Beliebtheit allgemein als schützenswert anerkannt sind, als "Leit- oder Schirmarten" benutzt, etwa der Storch, der Laubfrosch oder die Wildkatze. Absehbare Risiken durch den Klimawandel spielen dagegen bislang meist (noch) keine bzw. nur eine untergeordnete Rolle.

Das gilt auch für die Artenschutzmaßnahmen, die in Karlsruhe in den letzten Jahren realisiert wurden oder zurzeit durchgeführt werden. Beispiele sind u. a. das sehr umfassende Schutzprogramm für den Heldbock, der Schutz des Arznei-Haarstrrangs auf den Hochwasserdämmen im Schlehert, der Gelbbauch-Unke in temporären Gewässern in Grötzingen an der B3 oder in der Rheinnierderung bei Knielingen sowie des Schlammpeitzgers in den Gräben im NSG/ LSG "Burgau". Allerdings ergeben sich dabei oftmals größere Gemeinsamkeiten, etwa wen es sich bei den ausgewählten Arten um solche mit einem hohem Spezialisierungsgrad oder sehr spezifischen Biotopansprüchen (insbesondere Feuchtlebensräume) handelt und diese deshalb als sehr klimasensibel einzustufen sind. Dazu gehören etwa die Schutzmaßnahmen für den bereits erwähnten seltenen Wiesenknopf-Ameisenbläuling, dessen Bestand in Karlsruhe über ein spezielles Mahd- und Bewirtschaftungsregime für frische Wiesen mit dem Großen Wiesenknopf gesichtert wird.




                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                        

Referenzen

Stadt Karlsruhe, Umwelt- und Arbeitsschutz, (Hrsg., 2013): Anpassung an den Klimawandel Bestandsaufnahme und Strategie für die Stadt Karlsruhe,pdf

Weitere Informationen

Karlsruhe: Anpassung an den Klimaschutz

Ideen- und Kooperationsbörse zur Klimaanpassung

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